Produktion von Batteriezellen: Große Herausforderung und große Chance
Was haben wir eigentlich aus der Photovoltaikproduktion in Deutschland und Europa gelernt? Und was können wir daraus noch für Batteriezellen lernen? Die heimische Photovoltaikindustrie wurde zu großen Teilen nach Asien verkauft, als man vielleicht gedanklich noch nicht so weit wie heute war.
Nun beziehen wir überwiegend Solar-Paneele von asiatischen Herstellern mit langen Wartezeiten und Lieferengpässen und Preisaufschlägen – und bekommen wir die erste Wahl? Gab es nicht noch vor relativ kurzer Zeit blühende Photovoltaik-Firmen in Ostdeutschland, die ausgezeichnete Solarzellen und Paneele produzieren konnten?
Hoffnung auf „neue Materialien“?
Erst kam die Abwanderung der Technologie, dann der Abverkauf des zugehörigen Maschinenbaus. Hier hätten Übergangsinvestitionen vielleicht viel gebracht!
Die Lösung scheinen nun wieder mal neue Materialien. Aber was ist eigentlich langzeitstabiler als Silizium? Nur wenige Alternativen sind zu erwarten, möglicherweise sogar keine. Es scheint daher aus aktueller Sicht eine große Herausforderung, neue Materialien zu finden, die an die Langzeitstabilität und Kostenstruktur von rein Silizium-basierten Solarzellen heranreichen.
Und vor allen Dingen: Ob sie nicht giftig und ausreichend verfügbar sein werden. Silizium hingegen ist das zweithäufigste Element auf der Erde und in vielen Organismen und Pflanzen enthalten.
Technologische Führung bei Batteriezellen nicht unmöglich
In der Batterietechnologie lässt sich der Ausverkauf nicht nur stoppen – sogar Technologieführerschaft ist in kommenden Jahren nicht unmöglich. Mit der Li-Ionen-Technologie und ihren noch möglichen Verbesserungen (wie beispielsweise Feststoffbatterien) erreichen wir zusehends, wie bei den bekannten Solarzellen, ein technologisches Optimum.
Es ist im Grunde wie beim Verbrennungsmotor: Otto und Diesel wurden bereits im 19. Jahrhundert erfunden, sind durch den Carnot-Zyklus begrenzt, wurden dann aber weit über 100 Jahre im Detail weiterentwickelt und immer besser produziert.
Bei Batteriezellen ist das durchaus vergleichbar: Die Produktion von Batteriezellen und Batterien ist ähnlich komplex wie die moderner Motoren, aber längst noch nicht vollständig ausgereift.
Genau da liegt die Chance der Zukunft.
Paradigmenwechsel bei Produktion von Batteriezellen nötig
Wir benötigen bei Batteriezellen ein Paradigmenwechsel im Denken. Es geht nicht um die Wunderbatterie, bei der man dem Periodensystem ganz neue leichte Elemente hinzufügen müsste – was natürlich nicht möglich ist. Es geht nun um eine nachhaltige und qualitativ hochwertige Produktion.
Wie beim Carnot-Zyklus im Falle es Verbrennungsmotors ist die Auswahl möglicher Elemente im Periodensystem die natürliche Grenze für erreichbare Energiedichten bei Batteriezellen. Trotzdem kann man viel in der Produktion weiterentwickeln.
Bei einer Verbesserung der Batteriezellproduktion wird zum einen die Digitalisierung entscheidend helfen. Wenn durch bessere Produktionsüberwachung, Sammeln und Rückkoppeln von Informationen, neue Qualitätssicherungsmaßnahmen (zum Beispiel optische Erkennung schlechter Elektroden) Ausschuss gespart werden kann, so ist das extrem viel bei einer sogenannten GWh-Fabrik für Batteriezellen. Diese sind in Europa zu Hauf geplant.
Chance für Europa
GWh ist ein Synonym für die Energiemenge, die die gefertigten Batteriezellen speichern können. Bereits nur wenige Prozente besser zu machen, spart extrem viel Rohstoffe, Ausschuss und Energie bei der Herstellung ein.
Da aktuelle Produktionen mittlerweile ausreichend funktionieren, aber noch längst nicht perfekt sind, kann ein „Neueinsteiger“ immer noch gewinnen. Das ist für Europa die Chance in der Batteriezellproduktion. Sonst kaufen wir wieder zu. Aber das Elektroauto wird wesentlich über die Performance der Batteriezelle definiert.
Elektrolytentwicklung als Schlüssel
Dass nicht alle Schritte einer Batteriezellproduktion ausgereift und in der besten Sequenz platziert sind, zeigt sich beispielsweise an der Elektrolytentwicklung.
Würde man Elektrolyten an einem früheren Zeitpunkt der Produktion in die Zelle einbringen, so könnten neue und in der Sicherheit verbesserte sogenannte hochsiedende Elektrolyte zur Anwendung kommen.
Bisher wird der Elektrolyt in die zusammengebaute trockene Zelle dosiert. Wegen der Erhöhung der Energiedichte liegen die Elektroden mittlerweile aber so dicht beieinander, dass gar kein Platz mehr für den Elektrolyten ist, der dann mühselig mit Vakuum und Überdruck appliziert werden muss.
Das klappt aber nur bei Elektrolyten, deren Viskosität ausreichend niedrig ist. Ein Grund dafür, dass seit der Kommerzialisierung der Li-Ionen-Zelle 1991 durch Sony praktisch keine Fortschritte bei der Elektrolytentwicklung erzielt werden konnten.
Interessante neue Elektrolyte können in der aktuellen Produktionssequenz nicht ausreichend schnell und gleichmäßig in die Zelle eingebracht werden. Genau hier könnte aber der entscheidende Schlüssel zu sicheren, langlebigen und umweltfreundlichen Zellen liegen, wenn man die Produktionsabläufe und Maschinen neu überdenkt.
So kann man Energiedichte auch durch leichtere und perfektionierte Zellgehäuse und durch immer exaktere Herstellung der Elektroden erreichen. Im letzteren Falle spart man am Überschuss der negativen Elektrode, der im Grunde zum Teil nur dazu nötig ist, Produktionsschwankungen auszugleichen.
Batteriezellen gleichmäßig produzieren
Je gleichmäßiger einzelne Zellen produziert werden, desto weniger Abweichungen gibt es in ganzen Batterien. Solche Batterien können im Falle zylindrischer Zellen in automotiven Anwendungen 7.000-10.000 Zellen umfassen.
Weichen nun Zellen wegen schlechter Produktion ab, bedeutet dies schlichtweg Kapazitätsverlust der Batterie, so kann also Energiedichte über Lebenszeit durch bessere Produktion erhalten werden. Nimmt man das obige Beispiel, so hängt die Qualität einer Zelle dabei auch direkt von der optimalen Elektrolytverteilung ab. Und damit war ja bereits eine wichtige Stellschraube identifiziert worden.
Diversifikation kaum mehr über Materialien
Diversifikation wird also nicht mehr so sehr über neue Materialien und Elektrochemie erfolgen, denn da ist die Messe gelesen worden. Nicht umsonst und völlig zu Recht ist die Li-Ionen-Technologie 2019 mit dem Nobelpreis für Chemie gewürdigt worden. Verbesserungen der Energiedichte sind noch möglich.
Aber es wird keine Revolution, nur Evolution geben.
In den kommenden Jahren wird aber ein Zenit erreicht werden. Dann werden Zelltechnologien interessieren, bei denen es nicht primär auf die Energiedichte ankommt. Für stationäre Märkte wird es also Wettbewerb zu Li-Ionen-Zellen geben können. Für die Elektromobilität gilt aber, „Engineering and production makes the difference – not research“.
Auch eine Frage des Standorts
Aber: Es geht bei der Produktion nicht nur um neue Konzepte. Wo kommen Energie und Rohstoffe her? Sicherlich sind die Standorte in Europa besonders vorteilhaft für GWh-Fabriken, bei denen auch Energieressourcen aus nachhaltigen Energiequellen zu Verfügung stehen.
In Europa mag dies auch in nicht unerheblichem Maße Wind- und Wasserkraft betreffen. In jedem Fall sollte eine nachhaltige Energiepolitik von Anfang an auch die Bedarfe für die Herstellung von Batteriezellen mit berücksichtigen.
Zumal keine Produktion von Batteriezellen ohne Rohstoffquellen Sinn macht. Denn die Materialkosten einer Li-Ionen-Zellen liegen bei 70 bis 80 Prozent. Entweder muss dies der Lieferant lösen, der die aktiven Materialien zum Beispiel in den Elektroden, den Elektrolyten liefert. Oder es sollten gleich entsprechende Allianzen mit Rohstofflieferanten, also „mining companies“, geschaffen werden.
Chemieunternehmen in Europa etabliert
Trotzdem wird immer das Chemieunternehmen eine essentielle Rolle spielen, da der Elektrolyt für Li-Ionen-Zellen beispielsweise eine Fluorchemie benötigt. Sie ist aufwendig und benötigt Spezialwissen. Gleiches gilt für die Elektrodenmaterialien, die hochrein sein müssen.
Aber gerade da könnte auch die nächste Chance für Europa liegen, da es sehr wohl eine Anzahl etablierter Chemieunternehmen gibt, die bereits heute sehr erfolgreich in das Batteriegeschäft eingestiegen sind. Das ist auch eine weitere Chance, nach heimischen Ressourcen zu suchen, wie Lithium in Sachsen und im Mittelrheingraben. Und Batteriezelloptimierung so zu betreiben, dass man auf kritische Rohstoffe wie Kobalt ganz verzichten kann.
Maschinenbau sollte nachbessern
Nicht zu unterschätzen ist auch der Maschinenbau, der in Europa hervorragend, aber in Richtung Batteriezellproduktion nur zum Teil ertüchtigt ist. Hier muss noch nachgebessert werden. Es ist eine wechselseitige gemeinsame Weiterentwicklung, die aber auch noch weitere Chancen bietet.
Gelingt die Verbesserung von Produktionsschritten und Abläufen in der Batteriezellproduktion, so muss der Wettbewerb erst die Maschinen abschreiben. Und hat auf einmal die „veraltete“ Technologie. Da noch so viel in der Produktion von Batteriezellen besser gemacht werden kann – da das Produkt hochkomplex ist – sind am Ende sogar Chancen da, Technologieführerschaft zurückzuholen.
Hochkomplex betrifft nicht nur „Mechanik“, sondern auch, dass die Batteriezelle nur kinetisch, aber nicht thermodynamisch stabil ist. Das heißt: Es laufen immer parallel Seitenreaktionen ab, die eine Batteriezelle degenerieren. Je besser sie produziert wurde, desto langsamer sind diese Seitenreaktionen und desto langlebiger die ganze Batterie.
Produktion von Batteriezellen als Schlüsseltechnologie etablieren
Wir brauchen Produktionsforschung und -entwicklung in Bezug auf Batteriezellen, nicht neue Chemien. Und wir brauchen den klaren Willen, Batteriezellproduktion als eine Schlüsseltechnologie in Europa zu etablieren, um nicht neue Abhängigkeiten zu schaffen.
Denn wenn man eines aus der aktuellen geopolitischen Lage lernen kann: Abhängigkeiten werden irgendwann gnadenlos ausgenutzt und fallen auf die Füße. Batteriezellen sollten nicht auch noch das „Gas von morgen“ werden. Der Zug ist hier zum Glück noch nicht abgefahren.
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