Der globale Strukturwandel und die Folgen für die internationalen Rohstoffmärkte

Prof. Dr.-Ing. Rüdiger DeikeUniversität Duisburg-Essen

Eine sehr wichtige Erkenntnis der letzten Jahrzehnte ist, dass die Zahl der Menschen auf der Welt noch zunimmt – aber nicht mehr exponentiell (!) wie zu Beginn der 70er Jahre angenommen, sondern einer logistischen Funktion folgend. Mit der Konsequenz, dass die Weltbevölkerung zwischen 2070 und 2100 ihr Maximum erreichen und dann wieder abnehmen wird.

Dass bis dahin eine wachsende Weltbevölkerung auch zukünftig mehr energetische und nichtenergetische Rohstoffe verbrauchen wird, davon muss sicherlich auf absehbare Zeit ausgegangen werden.

Mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN wird unter anderem eine Vision skizziert, wie ein globales Wirtschaftswachstum und damit ein zunehmender Wohlstand mit einer so weit wie möglichen Entkopplung von weiter steigenden Rohstoffverbräuchen erreicht werden soll.

Entmaterialisierung durch Dienstleistungsgesellschaften

Was aufgrund bisheriger Erfahrungen als nicht möglich erscheint, hat es aber bei einem genauen Hinschauen in der Welt in den letzten Jahrzehnten durchaus temporär schon im Bereich der Metalle gegeben. Es wird dies wieder geben und es wird sich besonderes in Branchen noch weiter entwickeln lassen, in denen Rohstoffe zu einem hohen Anteil in weitgehend geschlossenen Kreisläufen genutzt werden können.

So ist zum Beispiel die globale Stahlproduktion in absoluten Mengen über 25 Jahre in der Zeit von 1970 bis 1995 nicht mehr gewachsen, obwohl in dieser Zeit die Weltbevölkerung und die Weltwirtschaft gewachsen sind.

Hier existierte bereits eine Entmaterialisierung des globalen Wirtschaftswachstums, im Wesentlichen hervorgerufen durch den Wandel der Industrienationen in Europa und Japan zu Dienstleistungsgesellschaften.

Stehen die globalen Rohstoffmärkte vor einem neuen Wandel?

Durch die Industrialisierung in China, aber auch anderer Rohstoffindustrien, wurde in der Zeit ab 2003 ein erneutes extremes Wachstum der globalen Stahlindustrie (Faktor 2,5 im Vergleich der Jahre 1995/2020) initiiert, das aber sehr wesentlich in China stattgefunden hat.

So ist China heute zu der dominierenden globalen Nation hinsichtlich des Rohstoffverbrauchs und in vielen Bereichen auch hinsichtlich der Produktion von Metallen geworden, was auch zu entsprechenden Abhängigkeiten (z.B. bei Seltenen Erden) für den Rest der Welt geführt hat.

In China hat allerdings im Jahr 2012 der tertiäre Sektor erstmals mehr zum BIP beigetragen als der sekundäre Sektor. Von daher ist davon auszugehen, dass sich China in den nächsten Jahren zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickeln wird.

Ähnlich wie in Europa in den 70er Jahren ist zu erkennen, dass dieser Wandel mit geringeren Wirtschaftswachstumsraten einhergeht.

Rohstoffmärkte: Analoge Entwicklung zu erwarten

Hinsichtlich der Rohstoffverbräuche sind analoge Entwicklungen zu erwarten, wie sie den traditionellen Industrienationen stattgefunden haben.

Dies würde bedeuten, dass eher mit moderaten Zunahmen von Rohstoffverbräuchen auf der Welt zu rechnen sein wird, die mittel- bis langfristig durch die wirtschaftlichen Entwicklungen in Indien und Afrika bestimmt sein werden.

Aufgrund der komplett anderen politischen Strukturen in diesen Ländern, bleibt es abzuwarten, mit welchen Geschwindigkeiten sich diese Volkswirtschaften entwickeln werden.

Literatur

Deike, R.: What is happening on the commodity markets – and what the future holds? , CP&T, 2021, No. 3, 32-43, https://doi.org/10.17185/duepublico/74989

Deike, R.: Befinden sich die globalen Rohstoffmärkte in einem erneuten Wandel? , Chem. Ing. Tech. 2020, 92, No.4, 331-340, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/cite.201900136 

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