Nachhaltigkeitshaushalt und Nachhaltigkeitsrendite: Steuerung der kommunalen Transformation
Für viele Städte, Landkreise und Gemeinden bilden die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen inzwischen einen unverzichtbaren Rahmen für die eigene Stadtentwicklung und ihr Nachhaltigkeitsmanagement. Zu den gängigsten Instrumenten zählen dabei Nachhaltigkeitsstrategien, Nachhaltigkeitsberichte und Nachhaltigkeitsprüfungen.
Das Instrument Nachhaltigkeitshaushalt
Herausforderungen wie Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen, der Abbau sozialer Ungleichheiten oder der Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe als Teilaspekte einer an Nachhaltigkeitszielen orientierten Transformation müssen auch in den Haushalten der Kommunen abgebildet werden und mit geeigneten Planungsinstrumenten flankiert werden.
Nicht umsonst haben sich Kommunen wie etwa Stuttgart, Bonn oder Detmold aufgemacht, um das Instrument des so genannten Nachhaltigkeitshaushalts zu implementieren. Dieser lässt sich als Ausprägung der doppischen Steuerung mit Wirkungsorientierung im Sinne der Nachhaltigkeit verstehen.
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) hat zusammen mit neun NRW-Kommunen und der NRW-Bank daneben das Instrument einer „Nachhaltigkeitsrendite“ entwickelt, das den Nachhaltigkeitshaushalt ergänzen kann, da es den Fokus auf einzelne Investitionsmaßnahmen richtet.
Die Ermittlung von Nachhaltigkeitswirkungen kommunaler Investitionen ist gleich in mehrfacher Hinsicht von Relevanz und wird auch zukünftig an Bedeutung gewinnen:
Haushaltsengpässe
Städte und Gemeinden leiden meist unter chronischen Haushaltsengpässen. Diese erfordern Jahr für Jahr aufs Neue eine Moderation unterschiedlicher Politiken, Fachplanungen und Interessen, um eine Priorisierung besonders dringlicher Maßnahmen vornehmen zu können und sie mit entsprechenden Ansätzen im Haushalt zu hinterlegen. Dieser Interessenausgleich ist auf eine fachliche Fundierung angewiesen, zumal Nachhaltigkeits- und Klimaziele einen zunehmenden Druck auf die Kommunalpolitik entfalten.
Verbindlichkeit
Während die Agenda 2030 mit ihren SDGs eine Selbstverpflichtung darstellt, sind die Ziele des Pariser Klimaabkommens völkerrechtlich verbindlich. Für die Bundesrepublik heißt dies, dass Bund, Länder und Kommunen jeweils einen eigenen Beitrag zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen leisten müssen – selbst wenn das im Bundesklimaschutzgesetz (KSG) und die entsprechenden Landesgesetze „nur“ ein Berücksichtigungsgebot vorsehen.
Als essentiell dafür wird u. a. der Umbau der bestehenden Infrastrukturnetze sein, der mit massiven öffentlichen Investitionen voranzutreiben sein wird – auch wenn das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 15. November 2023 hier womöglich erst einmal dämpfend wirken könnte.
Wenn aber bis 2045 das Ziel der Klimaneutralität nur annähernd erreicht werden soll, führt an Investitionen kein Weg vorbei. Nachhaltigkeits- und Klimaschutzinvestitionen dürfen – gerade auch mit Verweis auf die Freiwilligkeit dieser Aufgaben – nicht gegen andere Investitionsmaßnahmen ausgespielt werden.
Hoher Stellenwert in der Bevölkerung
Ein wachsender Teil der Bevölkerung misst den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz einen hohen Stellenwert bei. Nicht umsonst haben viele Städte inzwischen „Klimanotstandsbeschlüsse“ verabschiedet und diese auch mit mehrjährigen Finanzplanungen hinterlegt.
Sowohl mit Blick auf den Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als auch mit Blick auf eine transparente Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit sehen sich die Kommunen in der Verantwortung, mit einem möglichst effizienten Einsatz der für Nachhaltigkeit und Klimaschutz zur Verfügung stehenden Mitteln einen maximalen Ertrag im Sinne der entsprechenden Ziele sicherzustellen.
Hoher Investitionsrückstand
Der inzwischen erreichte Investitionsrückstand auf kommunaler Ebene in Höhe von rund 166 Mrd. Euro macht in den kommenden Jahren weiterhin erhebliche Investitionen erforderlich. Da ein Großteil der baulichen Anlagen und Versorgungsnetze in den Kommunen in den 1960er und 1970er Jahren errichtet wurde und Sanierungen oder Ersatzbauten vielfach ohnehin anstehen, sollte sich das damit nun öffnende Gelegenheitsfenster gezielt für die sozial-ökologische Transformation genutzt werden.
Vergabe von Fördermitteln
Der von der EU im Jahr 2020 angestoßene Sustainable-Finance-Prozess dürfte mittelfristig dazu führen, dass sowohl das kommunale Kreditgeschäft als auch die Vergabe von Fördermitteln zunehmend an Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet werden.
Denn Sinn und Zweck der entsprechenden EU-Taxonomie ist es, für alle Marktteilnehmer Transparenz über unterschiedliche wirtschaftliche Aktivitäten herzustellen, um so Kapitalströme entsprechend in grüne Wirtschaftsformen zu lenken. Insbesondere Banken und Finanzmarktakteure unterliegen hierbei neuen Berichts- und Testatspflichten, die sie an potentielle Kreditnehmer, wie auch Kommunen und öffentliche Unternehmen, weitergeben dürften und dies zum Teil auch schon tun.
Nachhaltigkeitsrendite als Instrument
Vor diesem Hintergrund wird unter einer Nachhaltigkeitsrendite eine mehrdimensionale Kenngröße verstanden, die – anders als eine klassische finanzwirtschaftliche Rendite – die drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales berücksichtigt.
Im Zentrum steht eine indexbasierte Bewertung der Beiträge, die einzelne Investitionen zur Erreichung relevanter SDGs leisten. Diese wird den heutigen und künftigen Kosten der jeweiligen Investition gegenübergestellt. Im Ergebnis wird so ersichtlich, welche Investitionsalternative das beste Nachhaltigkeits-Kosten-Verhältnis aufweist.
Die Nachhaltigkeitsrendite soll Kommunen und Kämmereien dabei unterstützen, in einen fundierten Diskurs mit den Fachverwaltungen einzutreten, um vorausschauende Investitionen zu tätigen, die sich auch im Sinne der Nachhaltigkeit über den Lebenszyklus hinweg rentieren.
Mehrere Dimensionen
Das Instrument der Nachhaltigkeitsrendite zeichnet sich dabei durch eine einfache Handhabbarkeit aus, um es in der täglichen Arbeit der Kämmereien nutzbar zu machen. Die Mitarbeitenden haben mit den wiederkehrenden Aufgaben im jährlichen Haushaltskreislauf sowie mit der Bewältigung von oft unvorhergesehenen Krisen meist ohnehin schon die Belastungsgrenze erreicht. Eine Berechnung der Nachhaltigkeitsrendite anhand komplexer Monetarisierungsansätze, zum Beispiel über eine Ökobilanzierung, hat sich in der Praxis als zu aufwändig herausgestellt.
Bewusst verzichtet das Instrument der Nachhaltigkeitsrendite auf die Ermittlung eines einzelnen, aggregierten Renditewertes. Stattdessen wird die Rendite in Form eines Dashboards separat für die drei Nachhaltigkeitsdimensionen ausgewiesen. Wie die einzelnen Dimensionen zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind, bleibt der Verwaltung und vor allem dem politischen Aushandlungsprozess in der Kommune überlassen.
Damit soll das Werkzeug auch eine Diskussionsgrundlage zur Beantwortung der normativen Frage liefern, ob eine Kommune in ihren Investitionsentscheidungen beispielsweise der ökologischen Dimension der Nachhaltigkeit einen Vorrang gegenüber der ökonomisch-haushalterischen Nachhaltigkeit gibt.
Beispiel der konkreten Anwendung
Die vom Difu vorgenommene Indexierung wurde exemparisch für die Bereiche kommunale „Baumpflanzungen“ sowie „Schulneubau“ in jeweils verschiedenen Ausführungsvarianten durchgespielt und miteinander verglichen. In der konkreten Anwendung lässt sich anhand der Nachhaltigkeitsrendite zweier Ausführungsvarianten einer Baumpflanzung zu gleichen Kosten gut darstellen, dass z. B. eine Pflanzung in einem dicht besiedelten Wohngebiet mit geringem Durchschnittseinkommen der Bevölkerung eine höhere Nachhaltigkeitsrendite ausweist als etwa eine Ersatzpflanzung im Stadtpark.
Grund dafür ist, dass die erste Variante stärker auf lokalisierte SDGs mit sozialem Bezug einzahlen. In Zukunft sollen weitere Investitionsvorhaben der Kommunen in dieser Weise modelliert und um einen Vergleich verschiedener Investitionsprojekte erweitert werden. Das Werkzeug der Nachhaltigkeitsrendite soll Kommunen als ausfüllbare Tabelle mit vorgegebenen Ausfüllhilfen zur Verfügung gestellt werden. So sollen individuelle Auslegungsspielräume minimiert werden und der Gefahr eines möglichen „Green-Washings“ vorgebeugt werden.
Die Nachhaltigkeitsrendite ist damit als Werkzeug für die tägliche Arbeit in den Kommunen und ihren Kämmereien konzipiert, das Investitionsentscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit mit möglichst validen Argumenten unterstützen soll. Solche Nachhaltigkeitsinstrumente bilden einzelne Bausteine zur Unterstützung der notwendigen sozial-ökologischen Transformation auf kommunaler Ebene. Insofern ist es erfreulich, dass die Experimentierfreude und die Lust am Ausprobieren von solchen neuen Lösungsansätzen derzeit in den Kommunen groß ist.
Nähere Informationen finden Sie hier.
Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:
Klimaanpassung: Sind Kommunen auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet? von Dr. Antje Otto, Universität Potsdam und Dr. Thomas Friedrich, ISOE
Die Kommunen als Umsetzer der Energiewende – Förderprogramme und Leitfäden von Leona Freiberger, FfE München
Energetische Vor-Ort-Versorgung: Die Energiewende aus Bürgerhand voranbringen von Arne Surmann, Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme und Kolleg:innen
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