KMU-Klima-Deal: Auf dem Weg zur Klimaneutralität

Prof. Dr. Jana BrauweilerHochschule Zittau/Görlitz

Prof. Dr.-Ing. Jakob HildebrandtHochschule Zittau/Görlitz

Dipl.-Ing. (FH) Markus WillHochschule Zittau/Görlitz

David HorschHochschule Zittau/Görlitz

Sarah BarthHochschule Zittau/Görlitz

Nach dem Abkommen von Paris im Jahr 2015 war die Richtung klar: die globale Erwärmung muss auf unter 2°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt werden und sollte am besten 1,5°C nicht überschreiten, um die drastischen und lebensbedrohende Effekte des Klimawandels abzumindern.

Laut dem Special Report on Global Warming (SR15)[1] aus dem Jahr 2018 bedeutet dies Klimaneutralität [2] bis zum Jahr 2050. Auch der aktualisierte Bericht des IPCC Climate Change 2021 – The physical science basis[3] geht weiterhin davon aus, dass die anthropogenen Netto-Emissionen ab 2050 nahe Null liegen müssen.

Bei einem derzeitigen Ausstoß von ca. 42,2 Gt CO2/a wird das dafür verfügbare THG-Emissionsbudget von zur Zeit. 312 Gt CO2 aber bereits in knapp 7 Jahren aufgebraucht sein[4]. Bleibt die Welt bei Ihren derzeitigen Emissionsreduktionsplänen, so wird mit einer globalen Erwärmung von 2,7 °C bis zum Ende des Jahrhunderts gerechnet[5].

Mit Blick auf Deutschland zeigt sich, dass wir längst das 1,5°C Ziel verpasst haben. Laut dem Umweltbundesamt hat sich die mittlere Lufttemperatur seit 1881 bis 2018 bereits um 1,5°C erhöht[6]. Die Folgen dieser Entwicklung zeigen sich bereits jetzt schon durch vermehrte starke Trockenperioden oder auch zuletzt durch starke Regenereignisse mit katastrophalen Folgen.

Diese Zahlen zeigen, dass der Klimawandel ein konkretes Risiko für Menschen und Organisationen darstellt.

KMU stehen vor Herausforderungen

Die Politik hat mit ihrem aktualisierten Klimaschutzgesetz die Ambition nochmal verschärft und möchte bis 2045 klimaneutral sein. Doch trotz vielen Fördermitteln und zahlreichen Studien zur Erreichung der Klimaneutralität[7] steigen die Treibhausgasemissionen weltweit weiter an. Es gibt folglich ein Umsetzungsproblem hinsichtlich der Erfüllung der klimaschutz-relevanten Anforderungen.

Während große multinationale Unternehmen mit eigenen Umweltabteilungen dabei sind, konkrete Strategien zur Emissionsminderung zu entwickeln, stehen die kleinen und mittelständischen Unternehmen vor großen Herausforderungen. Nicht zuletzt werden KMUs, die in globale Lieferketten eingebettet sind, die Anforderungen der Großkunden zur Reduktion von Emissionen umsetzen müssen.

In einer eigens durchgeführten Umfrage im Auftrag der Sächsischen Energieagentur SAENA GmbH hinsichtlich der Barrieren bei der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen bei sächsischen Unternehmen (KMU-Anteil 53 %) zeigte sich, dass es den Unternehmen vor allem an Zeit mangelt, konkrete Maßnahmen umzusetzen, da anderen Tätigkeiten eine höhere Priorität haben. Dies deckt sich mit den Erfahrungen von Ressourcenengpässen, aber auch fehlendem Bewusstsein/Weitblick bei KMUs.

Ein weiteres Problem besteht bei der fehlenden Wirtschaftlichkeit von alternativen Technologien. Hier versucht die Politik vor allem mit Fördermitteln die Amortisierungslücke zu schließen. Allerdings zeigen sich erfahrungsgemäß auch Probleme bei der Ermittlung der Wirtschaftlichkeit. Insbesondere KMU greifen häufig noch auf statische Verfahren zurück, die nicht immer die Wirklichkeit korrekt darstellen.

Zu guter Letzt scheinen auch niedrige Energiekostenanteile eine Barriere darzustellen, da diese als nicht prioritär eingestuft werden. Diese Barriere wird sich im Rahmen der aktuellen Preisentwicklung an den Energiemärkten auflösen, da auch perspektivisch nicht mit einer Rückkehr zu alten Preisniveaus wie vor der Pandemie und dem Ukrainekrieg gerechnet werden kann.

Quelle: Horsch, David: Ergebnisse der Umfrage zur Wirksamkeit sächsischer Energieeffizienz- und Klimaschutznetzwerke, 2021 (HSZG)

Klimaschutz greift weiter als Energieeffizienz

Die Bemühungen im Klimaschutz greifen aber nun noch weiter als das Thema Energieeffizienz. Denn es geht vor allem um die Substitution von fossilen Energieträgern, stärkere Kollaborationen und Kommunikation in der Wertschöpfungskette und auch negative Emissionen.

Hier setzt das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte Projekt „KMU-Klima-Deal“ der Hochschule Zittau/Görlitz in Kooperation mit der IHK Dresden und der SAENA GmbH an. Das Projektziel ist die methodische und fachliche Begleitung von bis zu 10 regionalen produzierenden und/oder dienstleistenden (KMU-) Pilotunternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität und die Ableitung von Best-Practice Roadmaps aus den Erfahrungen der Fall-Studien.

Für die Transformation zum klimaneutralen Unternehmen investieren die teilnehmenden Unternehmen ca. 20 h/Monat für die nächsten 2,5 Jahre. In dieser Zeit werden unter der Federführung der HSZG folgende Themen untersucht und bearbeitet:

  • Erstellung von Treibhausgasbilanzen
  • Wesentlichkeitsanalyse und Strategieentwicklung zur Erreichung von selbstgesteckten Klimazielen für 2030 und 2045
  • Ermittlung von Optionen zum Aufbau von betrieblicher und betriebsübergreifender Klima-Resilienz
  • Entwicklung von sektorspezifischen Maßnahmenportfolios für die Vermeidung und Reduktion von Treibhausgasen
  • Machbarkeitsanalysen zur Umsetzung von regionalen und unternehmensspezifischen Kompensationsprojekten (Insetting statt Offsetting)

Unklare Grenzen und Datenlage als limitierende Faktoren

Bereits beim Projekt-Kick Off im November 2021 zeigte sich, dass die Unternehmen sich Klarheit, Wissen und eine gute Ausgangsbasis hinsichtlich der THG-Bilanzierung wünschen. Allerdings werden auch die teilweise unklaren Bilanzierungsgrenzen, die aufwendige Datenbeschaffung und die Aussagekraft der Daten als limitierende Faktoren gesehen.

Hinsichtlich des Maßnahmenportfolios zur Senkung der THG-Emissionen erwarten sich die Unternehmen vor allem fachlich fundierten Input zu wirtschaftlichen, werbewirksamen Maßnahmen, die auch neue Geschäftsfelder erschließen bzw. einschließen. Wie aus der obigen Umfrage bekannt, zeigen sich dabei aber auch die Kostenintensität, die Ressourcenverfügbarkeit und die interne Akzeptanz der Maßnahmen als Barrieren.

Das Projekt soll insbesondere neue Ansätze zur Kompensation entwickeln. Die klassische Kompensation zur Erreichung der Klimaneutralität stellt häufig keine Option dar, da die damit verbundenen Unsicherheiten und Kosten für KMU häufig nicht tragbar sind. 

Für die meisten KMU soll die Kompensation vor allem regional und sinnvoll sein, sowie nur als letzte Option zum Tragen kommen. Insbesondere vor dem Hintergrund von „Green Washing“-Vorwürfen sehen die Unternehmen aber die Permanenz, rechtliche Sicherheit und die Kosten als Herausforderung.

Erfahrungsaustausch hat Einfluss auf Umsetzung

Die aufgeführten Aspekte sollen zu guter Letzt bei der Verankerung von Klimaschutz in der Unternehmensstrategie einfließen und bei der Erstellung der Roadmap berücksichtigt werden. Der kollaborative Charakter des Projekts wird die KMUs dabei weiter unterstützen, um Erfahrungen zu teilen und Synergien zu erheben.

Insbesondere die Erfahrung der HSZG aus der Betreuung des Energieeffizienz- und Klimaschutznetzwerks Oberlausitz hat gezeigt, dass die Teilnahme an den Netzwerken eine Übersicht zu möglichen Energieeinsparmaßnahmen und den geltenden bzw. zukünftigen Anforderungen aus der Politik verschafft.

Aus Ergebnissen von internen Umfragen wurde deutlich, dass der Erfahrungsaustausch bei 42% der Unternehmen einen maßgeblichen Einfluss auf die Umsetzung von Maßnahmen hatte und die Unternehmen auch über die Treffen hinaus im Kontakt stehen.

Fakt ist, dass niemand die eine perfekte Lösung zur Bewältigung der Klimakrise kennt. Jedes Unternehmen muss sich individuell innerhalb der Branche auf die kommenden Entwicklungen vorbereiten.

Ob dies konkrete Anpassungen an physische Klimaeffekte, die Eigenproduktion von Energie zur Stabilisierung der Energiekosten und Senkung der THG-Emissionen oder ein verändertes Geschäftsmodell beinhaltet, hängt vor allem an dem unternehmerischen Willen sowie den Rahmenbedingungen. Beides wollen wir im Projekt KMU-Klima-Deal durch verschiedene Formate stärken.

Das Projekt „KMU-Klima-Deal“ wird gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).

Literatur

[1] Summary for Policymakers. IPCC. 

[2] Mit Klimaneutralität wird im allgemeinen Sprachgebrauch der Ausgleich von anthropogenen THG-Emissionen und THG-Fixierung durch natürliche und technische Systeme gemeint

[3] IPCC: Climate Change 2021. 

[4] Verbleibendes CO2-Budget. Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change. 

[5] Emissions Gap Report 2021 

[6] Monitoring zur DAS. Umweltbundesamt

[7] Klimaneutralität in Deutschland bereits 2045 möglich. Agora Energiewende.

 


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