Homeoffice und die Coronakrise: Notlösung oder der Beginn einer neuen Arbeitswelt?
Mit der Coronakrise erlebt Homeoffice einen unvorhergesehenen Boom. Innerhalb kürzester Zeit wurden viele bestehende Hürden und Vorbehalte gegenüber Homeoffice abgebaut: von der Digitalisierung von Arbeitsprozessen über die Ausstattung der Beschäftigten mit den entsprechenden Kommunikationstools bis hin zur Auflösung des Stigmas des faulen Heimarbeiters. Doch wie wird sich die Homeoffice-Erfahrung der Coronakrise auf die zukünftige Arbeitswelt auswirken?
Der Corona-Schub fürs Homeoffice ist nachhaltig
Klar ist, dass Homeoffice nach der Krise erheblich an Bedeutung gewinnen wird. In Deutschland zeigen sich sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte zum Großteil zufrieden mit den gewonnenen Praxiserfahrungen des digitalen Arbeitens. Drei von vier Beschäftigten bewerteten die Erfahrung im Homeoffice schon Ende März 2020 als positiv (vgl. Stürz et al, 2020). Diese anfängliche Begeisterung ist seitdem keinesfalls verflogen. Im Gegenteil, die Zufriedenheit mit der Arbeit im Homeoffice ist mit der stufenweisen Öffnung von Schulen und Kitas kontinuierlich auf rund 90 Prozent Anfang Juli gestiegen (vgl. FIT, 2020). Auch auf dem Stellenmarkt zeigt sich eine steigende Nachfrage nach Homeoffice. So sind auf der Online-Karriereplattform LinkedIn die Aufrufe von Stellen, die zur Arbeit im Homeoffice ausgeschrieben sind, zwischen März und Juni dieses Jahres um mehr als das Doppelte gestiegen (Alipour et al., 2020b).
Für die Unternehmen in Deutschland ging die Pandemie mit enormen Anpassungen bezüglich des digitalen Arbeitens einher. Während Deutschland bei der Homeoffice-Nutzung vor der Krise noch deutlich unter dem europäischen Durchschnitt lag (vgl. Eurostat, 2018), haben laut ifo-Umfrage drei Viertel der Unternehmen Teile ihrer Belegschaft zur Bewältigung der Krise ins Homeoffice geschickt (ifo Institut, 2020). Für viele Unternehmen ging die Umstellung mit beträchtlichen Investitionen in digitale Infrastruktur und neue Kommunikationstechnologie einher. Diese Neuorganisation der Arbeit wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vollständig rückgängig gemacht werden. In einer aktuellen ifo-Umfrage gaben gut die Hälfte der befragten Unternehmen an, auch post-Corona verstärkt auf Homeoffice setzen zu wollen (vgl. ifo Institut, 2020).
Zudem scheinen viele Betriebe das Angebot von Homeoffice als einen Vorteil im Wettbewerb um die klügsten Fachkräfte zu entdecken. Bereits in der Zeit vor der Corona-Krise legte empirische Forschung dar, dass das Angebot von Homeoffice einen messbaren Wettbewerbsvorteil bedeuten kann. In einem Feldexperiment zeigten Mas und Pallais (2017), dass Bewerber bereit sind, im Schnitt 8 Prozent ihres Gehalts für eine Option auf Homeoffice aufzugeben.
Deutschlands Homeoffice Kapazitäten
Um die Dimensionen einer zukünftigen Ausweitung von Homeoffice abschätzen zu können, stellt sich die Frage, wie viele Beschäftigte überhaupt einen Zugang zu Homeoffice haben. In unserer kürzlich erschienenen Studie (vgl. Alipour et al., 2020a und Alipour et al., 2020b) berechnen wir, dass prinzipiell 56 Prozent der Beschäftigten in Deutschland zumindest zeitweise zu Hause arbeiten können. Vor der Corona-Pandemie wurde nur etwa die Hälfte dieses Potenzials ausgenutzt.
Ungleichheiten beim beruflichen Zugang zu Homeoffice sind hauptsächlich auf die unterschiedliche Zusammensetzung der ausgeübten Tätigkeiten zurückzuführen. Danach können Beschäftigte mit Jobs, in denen überwiegend kognitive und wenig manuelle Tätigkeiten erforderlich sind, deutlich häufiger im Homeoffice arbeiten. Insbesondere im Hinblick auf Bildungsgrad und Einkommensniveau zeigt sich ein deutliches Gefälle. Verglichen mit Beschäftigten ohne akademischen Abschluss, haben Hochschulabsolventen fast doppelt so häufig die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Auch regionale Ungleichheiten werden deutlich. Homeoffice-fähige Jobs sind verstärkt in Westdeutschland sowie in städtischen Regionen konzentriert
Die Zukunft der Arbeitswelt zwischen Homeoffice und Präsenzarbeit
Der derzeitige Homeoffice-Boom könnte vermuten lassen, dass die Kapazitäten der Fernarbeit zunehmend ausgeschöpft werden, Büros sogar bald der Vergangenheit angehören werden und Fernarbeit künftig eher die Regel als die Ausnahme sein könnte. Die unmittelbaren Vorteile einer solchen vollständigen und dauerhaften Verlagerung beruflicher Aktivität ins Homeoffice sind offensichtlich: Betriebe sparen sich teure Büroflächen, und Beschäftigte verlieren keine Zeit mehr im Stau oder in überfüllten U-Bahnen. Eine Reduktion des Verkehrs würde letztendlich auch der Umwelt zugutekommen. Auch eine entsprechende Entspannung der städtischen Wohnungsmärkte ist denkbar, sobald die Notwendigkeit wegfällt, in unmittelbarer Nähe zur Arbeitsstätte zu wohnen. Außerdem könnte die Beseitigung der räumlichen Entfernung als limitierender Faktor das Matching von Jobsuchenden und Arbeitgebern verbessern und letztendlich zu einer gesteigerten gesamtwirtschaftlichen Produktivität führen. Dafür spricht auch experimentelle Evidenz aus der Zeit vor Corona, die nahelegt, dass Beschäftigte im Homeoffice im Schnitt sogar produktiver arbeiten als im Betrieb (vgl. Bloom et al., 2015).
Dennoch sprechen gute Gründe dafür, dass eine vollständige Verlegung der beruflichen Tätigkeit ins Homeoffice eher die Ausnahme bleiben wird. Zum einen bedeutet das dauerhafte Arbeiten von zu Hause für viele Beschäftigte eher eine Be- als eine Entlastung. Im bisher prominentesten Feldexperiment zu Homeoffice mit Beschäftigten eines chinesischen Callcenters, entschied sich die Hälfte der Teilnehmer nach Beendigung der Studie in den Betrieb zurückzukehren. Häufigster Grund für diesen Schritt war die soziale Isolation während der Heimarbeit (vgl. Bloom et al., 2015). Tatsächlich gibt es eine Vielzahl empirischer Hinweise dafür, dass gerade der persönliche fachliche und private Austausch maßgeblich sind für individuelle Innovationskraft und den Aufbau von Beziehungen zu Kollegen und Arbeitgeber. Permanente Fernarbeit würde diese Möglichkeiten verspielen, sofern solche Momente der Interaktion und Kreativität nicht vollständig ins Digitale verlagert werden können. Wesentlich sind hier aber auch die unterschiedlichen Bedarfe der Beschäftigten. So unterscheidet sich ein Arbeitsmodell, das den Bedürfnissen von Eltern mit kleinen Kindern gerecht wird, wahrscheinlich von einem Modell, das am besten für Berufspendelnde geeignet ist.
Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass sich hybride Arbeitsformen zwischen Homeoffice und Präsenzarbeit durchsetzen. Büroflächen würden dann weniger für isoliertes Arbeiten genutzt, sondern vielmehr zu Begegnungsstätten und Teamräumen umfunktioniert werden. Dadurch ließen sich die Vorzüge des Homeoffice mit kreativem und sozialem Austausch im Betrieb vereinen.
Ein Beispiel für eine derartige Auswirkung des pandemiebedingten Homeoffice Booms auf die zukünftige Organisation von Arbeit ist der jüngste Beschluss des Siemens Vorstandes, dass ab sofort weltweit 140.000 Mitarbeiter zwei bis drei Tage die Woche im Homeoffice arbeiten können.
Auch die Debatte über eine gesetzliche Regelung von Heimarbeit ist bereits wieder angestoßen. Ob ein Recht auf Homeoffice lediglich ein neues Bürokratiemonster weckt oder letztendlich einen wertvollen Beitrag für eine bessere Organisation der Arbeit darstellt, bleibt abzuwarten. Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist es geboten, die Rahmenbedingungen für eine verstärkte Ausschöpfung des Homeoffice-Potenzials zu schaffen. Der Wechsel in die Heimarbeit ist in der Regel mit zusätzlichen Kosten verbunden. Zurzeit bestehen noch hohe gesetzliche Hürden um Homeoffice steuerlich geltend zu machen. Bedeutet Homeoffice also eine Umwälzung der Kosten des betrieblichen Arbeitsplatzes auf die Beschäftigten? Diese und ähnliche Fragen müssen durch die Politik aufgegriffen und gegebenenfalls gesetzlich verankert werden.
Literatur
Alipour, J.-V., O. Falck und S. Schüller (2020a), »Germany’s Capacity to Work from Home«, CESifo Working Paper Nr. 8227.
Alipour, J.-V., O. Falck und S. Schüller (2020b), „Homeoffice während der Pandemie und die Implikationen für eine Zeit nach der Krise”, ifo Schnelldienst, 73, Nr. 07, 30-36.
Bloom, N., Liang, J., Roberts, J. und Z. J. Ying (2015). Does Working from Home Work? Evidence from a Chinese Experiment. Quarterly Journal of Economics 130(1): 165-218.
Choudhury, P., Foroughi, C. und B. Larson (2019). Work-from-anywhere: The Productivity Effects of Geographic Flexibility. Harvard Business School Working Paper Nr. 19-054.
Eurostat (2018). Working from home in the EU. 20.06.2018
Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT (2020). Fraunhofer-Umfrage »Homeoffice«: Ist digitales Arbeiten unsere Zukunft? Pressemitteilung 07.07.2020.
ifo Institut (2020). Mehrheit der Unternehmen will Homeoffice dauerhaft ausweiten. Pressemitteilung 13.07.2020.
Mas, A. und A. Pallais (2017). Valuing Alternative Work Arrangements. American Economic Review 107 (12): 3722-59.
Stürz, R. A., C. Stumpf, U. Mendel, und D. Harhoff (2020). Digitalisierung durch Corona? Verbreitung und Akzeptanz von Homeoffice in Deutschland. Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt).
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