Greenwashing: Ein Konzept zur Messung auf Unternehmensebene
Greenwashing, das gezielte Täuschen von Stakeholdern über die tatsächlichen Umweltleistungen eines Unternehmens, stellt eine wachsende Bedrohung für die nachhaltige Entwicklung dar. Die zunehmende Bedeutung von Umwelt- und Klimaschutz hat dazu geführt, dass Unternehmen verstärkt darauf achten, ein positives Image in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit zu vermitteln.
Doch nicht immer entsprechen diese öffentlichen Darstellungen den tatsächlichen Umweltaktivitäten. Die Folge ist eine Informationsasymmetrie zwischen Unternehmen und Investoren, die zu Fehlentscheidungen und einer Fehlallokation von Ressourcen führen kann.
Die Problematik von Greenwashing
Die aktuelle Markt- und Regulierungsstruktur ermöglicht es Unternehmen in gewissem Umfang, Greenwashing zu betreiben. Die fehlende Standardisierung, Vergleichbarkeit und Verifizierbarkeit von Umwelt- und Klimadaten erschweren es Investoren, die tatsächliche Nachhaltigkeit von Unternehmen zu beurteilen. Dies führt zu Informationsasymmetrie, die es Investoren erschwert, nachhaltige Investitionen zu tätigen und Risiken im Zusammenhang mit Greenwashing zu bewerten.
Im Allgemeinen basieren Vorwürfe von Greenwashing jeweils auf einer eingehenden Untersuchung des Unternehmensverhaltens. Solche Einzelfalluntersuchungen sind aber zeitaufwendig. Daher ist es wahrscheinlich, dass eine große Anzahl von Greenwashing-Fällen unerkannt bleibt, da es bisher keinen Rahmen zur Berechnung eines Greenwashing-Indikators auf Unternehmensebene für einen großen Querschnitt an Firmen gibt.
Die Folgen von Greenwashing sind vielfältig und überwiegend negativ. Daher ist es von großer Bedeutung, das Greenwashing-Risiko zuverlässig messen zu können.
Allerdings ist Fairness beim Vorwurf von Greenwashing geboten: Es hat negative Auswirkungen auf die Legitimität von Unternehmen, wenn ihnen Greenwashing unterstellt wird, obwohl ihre CSR-Kommunikation nicht irreführend ist (sog. False Greenwashing)
Unternehmen, die durch das Greenwashing anderer Unternehmen getäuscht werden, können erhebliche finanzielle Verluste erleiden. Investoren, die in Greenwashing-Unternehmen investieren, riskieren nicht nur Reputations-, sondern auch Kapitalverluste. Darüber hinaus kann Greenwashing auch die effiziente Allokation von Kapital auf den Kapitalmärkten beeinträchtigen. Dies hätte zur Folge, dass unter Umständen nicht nachhaltige Unternehmen Kapital erhalten und damit ihre Aktivitäten ausweiten könnten. Das würde wiederum zu Lasten der wirklich grünen Unternehmen gehen und die Entwicklung hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft verlangsamen.
Messung des Greenwashing-Risikos
Die wissenschaftliche Literatur hat sich bisher hauptsächlich auf die Produkt- und Dienstleistungsebene von Greenwashing konzentriert. Greenwashing auf Unternehmensebene wurde hingegen noch nicht umfassend empirisch untersucht.
Es besteht insbesondere ein Mangel an Verständnis für die Determinanten und Vorhersage von Greenwashing-Risiken. Einige Studien haben sich mit der wirtschaftlichen Analyse von Greenwashing beschäftigt. Insbesondere mit der Frage, ob der Markt auf Greenwashing reagiert. Diese Untersuchungen sind jedoch aufgrund der Schwierigkeiten bei der Definition und Messung von Greenwashing noch selten.
Unsere Studie präsentiert einen konzeptionellen Rahmen zur Messung von Greenwashing auf Unternehmensebene. Dieser basiert auf Informationen, die für viele Unternehmen systematisch erfasst werden können und auf theoretischen Überlegungen, die aus einer umfassenden Literaturrecherche über die Treiber von Greenwashing abgeleitet werden.
Probleme bei der Messung
Greenwashing wird in erster Linie als ein Unternehmensphänomen konzipiert, das durch den Fokus auf die Offenlegung von Informationen gekennzeichnet ist. Es wird als eine bewusste Strategie angenommen, die für Unternehmen von Vorteil und für die Gesellschaft nachteilig ist und mit sozialen und ökologischen Fragen zusammenhängt.
Eine zuverlässige Greenwashing-Bewertung ist besonders schwierig zu finden, da es nur wenige Umwelt- und Sozialberichtsstandards wie die Global Reporting Initiative (GRI) und das Sustainability Accounting Standards Board (SASB) gibt. Ihre weitgehend freiwillige Natur und die allgemeine Unsicherheit der Regulierung sind jedoch mögliche Treiber für Greenwashing.
Darüber hinaus sind die verfügbaren Bewertungen für die Nachhaltigkeitsleistung wie Umwelt-, Sozial- und Governance (ESG)-Ratings weitgehend nicht geprüft. Ferner gibt es keine globale Regierungsbehörde und keine spezifischen regulatorischen Richtlinien, um die Genauigkeit der gemeldeten ESG-Daten zu gewährleisten.
Eine Initiative der Europäischen Kommission zur Verhinderung von Greenwashing ist die Green Claims Directive (GCD), die Unternehmen verpflichtet, Umweltbehauptungen über Produkte und Unternehmensaktivitäten in der Business-to-Consumer-Kommunikation zu belegen. Allgemeine Umweltbehauptungen, die nicht belegt werden können und deren Nachweis nicht auf der Verpackung erfolgt, werden verboten.
Scheinbare und tatsächliche grüne Leistung
Ausgehend von dieser Perspektive schlagen wir einen konzeptionellen Rahmen zur Messung von Greenwashing auf Unternehmensebene vor, der auf Variablen basiert, die die scheinbare und tatsächliche grüne Leistung eines Unternehmens entlang verschiedener Dimensionen von Greenness messen, die der (subjektiven) Sichtweise der beurteilenden Einheit entsprechen. Unser Ansatz misst zunächst Greenwashing in mehreren Dimensionen und aggregiert diese Maße dann zu einem Indikator.
Dieser Indikator wird aus Variablen abgeleitet, die in fünf Säulen relevanter Informationen strukturiert sind:
- ESG-Daten, textuelle Selbstdarstellung, grüne Marketingausgaben und grüne Tugend zur Berechnung der scheinbaren grünen Leistung
- harte ESG-Daten zur Berechnung der tatsächlichen grünen Leistung eines Unternehmens
Diese Säulen der Information erfassen die wichtigsten Unternehmenseigenschaften, von denen die bestehende Literatur dokumentiert hat, dass sie entscheidende Treiber von Greenwashing sind. Schließlich bestimmen wir den Greenwashing-Indikator als die Differenz zwischen der scheinbaren und der tatsächlichen grünen Leistung in den genannten grünen Aspekten.
Was ist grün?
In jedem Fall sind die (subjektiven) Normen der Partei, die den Greenwashung-Vorwurf erhebt, entscheidende Determinanten für die Identifizierung von Greenwashing. Selbst wenn Unternehmen die regulatorische (oder: standardsetzende) Umgebung einhalten, ist eine Greenwashing-Beschuldigung möglich, wann immer die anklagende Partei eine andere Auffassung darüber teilt, was grün ist.
In einem solchen Fall kann die Greenwashing-Beschuldigung auch an die standardsetzende Einheit gerichtet sein, was theoretisch eine weitere Ebene von Greenwashing zur aktuellen Diskussion in der Greenwashing-Literatur hinzufügt. Ein Beispiel für diese Ebene von Greenwashing ist die aktuelle Beschuldigung der EU durch NGOs wie Greenpeace in Bezug auf das Label der grünen Energieerzeugung für Gas und Atomkraft.
Unsere Studie zielt darauf ab, diese Informationsasymmetrie zwischen Unternehmen und Investoren im Hinblick auf Greenwashing zu reduzieren. Grundsätzlich sollte die Forschung dazu beitragen, die Transparenz der Nachhaltigkeitsleistungen von Unternehmen zu erhöhen und Greenwashing zu bekämpfen.
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