Bau

ecoworks: „Es fehlt an der Disziplin, die langfristigen Themen zu verhandeln“

In unserer Interview-Reihe sprechen wir mit kleinen und mittleren Unternehmen über das Thema nachhaltige Innovationen – und darüber, welche staatlichen Rahmenbedingungen aus ihrer Perspektive gegeben sein müssen, damit die anstehende Nachhaltigkeitstransformation erfolgreich bewältigt werden kann.

Dieses Mal geht es um das Unternehmen ecoworks aus Berlin, das sich auf energetische Sanierungen spezialisiert hat. Gründer Emanuel Heisenberg erläutert im Interview, wie wichtig Automatisierung in der Baubranche ist und wieso es in der Politik an Disziplin fehlt.

Können Sie uns Ihr Produkt etwas näher erläutern?

Wir sanieren Mehrfamilienhäuser energetisch: In unserer Fabrik fertigen wir Gebäudehüllen, die wir dann gewissermaßen über das alte Gebäude legen. In unsere Fassadenmodule sind unter anderem Fenster, Dämmung und Lüftung integriert. Das Ziel dabei ist Net Zero. Das bedeutet, dass das Gebäude später mehr Energie erzeugt als Menschen dort verbrauchen. So verlängert sich die Lebensdauer der Immobilie um 70 bis 100 Jahre und kann in die Neuzeit gebracht werden.

Ein wichtiger Aspekt ist auch, dass ecoworks seriell fertigt und nur wenige Wochen Montagezeit auf der Baustelle selbst haben. Das senkt Kosten, ist nachhaltig und schnell.

Wie kam es zu der Idee für ecoworks?

Ich habe vor einigen Jahren ein Whitepaper zum Thema energetisches Sanieren verfasst. Dafür habe ich mir auch Projekte aus den Niederlanden angesehen, die erste Visionen dazu hatten. Die Idee, daraus ein Start-up zu machen, kam dann tatsächlich von staatlichen Akteuren, die mich dazu aufgefordert haben.

Doch trotz Unterstützung von wissenschaftlicher und staatlicher Seite bleibt es ein schwieriges Geschäft, die Bauwirtschaft zu transformieren. Das ist eine riesige Aufgabe. Zumal wir hinter den politisch gesteckten Zielen zurückbleiben. Aktuell liegt die Sanierungsquote bei 0,7 Prozent  – um die Klimaziele zu erreichen, sollten es drei Prozent sein.

Wäre es mit Ihrem Konzept auch möglich, neue Gebäude zu bauen?

Tatsächlich stellen wir uns die Frage aktuell gar nicht, da es sich nicht lohnen würde, in diesen Markt einzutreten. Denn es wurden viele, auch nachhaltige, Kapazitäten geschaffen, um den Neubau voranzutreiben. Nur liegen die aktuell brach. Fabriken für Fertighäuser haben leere Auftragsbücher, sind teilweise von der Insolvenz bedroht  – trotz der Ziele der Bundesregierung, Hunderttausende neue Wohnungen zu bauen. Wir haben da eine riesige Fehlallokation.

Arbeit und Material werden in Deutschland immer teurer. Ich berate die Bundesregierung seit etwa zehn Jahren zur Dekarbonisierung von Gebäuden. Und heute wie damals weiß man, dass die Preise ohne Automatisierung, Software und KI immer weiter steigen werden. Wir müssen uns hier besser aufstellen.

Dabei haben wir gute Voraussetzungen. Wir haben in Deutschland eine tolle Förderlandschaft und sind fähig, Technologien voranzubringen. Eigentlich sind wir da weltweit wettbewerbsfähig.

Gibt es hier Punkte, die Sie sehen, um die Situation zu verbessern?

Einen sehe ich in Deregulierung: Bestimmte bürokratische Schranken sollten abgebaut werden. Dadurch können wir mit Sicherheit noch ein Drittel der Kosten einsparen. Vielfach stolpert die Politik hier auch über das föderale System. Das Bundesbauministerium hat zu wenig Macht, um bestimmte Themen zentral zu ändern. Es gibt dann immer wieder freundliche Anhörungen, auf denen mit allen Seiten gesprochen wird, aber es folgen keine Konsequenzen.

Wir bei ecoworks wären allerdings froh, wenn wir die Möglichkeit hätten, unsere Produkte für den bundesweiten Gebrauch zu skalieren. In 14 von 16 Bundesländern dürfen wir tatsächlich unsere Fassaden genehmigungsfrei vor Gebäude setzen  – mit der Tiefe, die wir in der Regel verbauen. In Berlin darf die Tiefe dagegen nur bei 30 Zentimetern liegen. In Schleswig-Holstein ist der Verbau gar nicht genehmigungsfrei. Das wäre so, als würden Sie einem Autobauer sagen, dass er in seinen Autos in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Motoren einsetzen muss.

Doch auch wenn dieses Thema immer wieder diskutiert wird, gibt es politische Rhetorik statt Lösungen. Es scheint so, als wäre der Druck immer noch nicht groß genug. In der Politik fehlt die Disziplin, solche langfristigen Themen zu verhandeln. Und zwar ernsthaft und zukunftsorientiert, nicht als parteiinterner Kuhhandel. Würde das anders laufen, gäbe es in Deutschland vielleicht auch wieder regulatorische Beständigkeit und Zuversicht. Beides brauchen wir, sonst laufen uns die Investoren endgültig weg.

Was bräuchte es aus Ihrer Sicht, um nachhaltige Innovationen zu fördern?

Wenn man auf unsere Branche blickt, dann bräuchten wir bessere Vergabeverfahren von der öffentlichen Hand. ecoworks hat jahrelang versucht, an große öffentliche Aufträge zu kommen. Aus unserer Sicht hatten wir mit Abstand das beste Produkt. Trotzdem hat es nie funktioniert. Ich denke, weil in den Verwaltungen der Mut fehlt, sich auf neue Player einzulassen. Man versteckt sich hinter Vergaberichtlinien, bei denen bestimmte Umsätze und Bilanzgröße erwartet werden  – obwohl eine Vergabe an uns dennoch möglich und gedeckt wäre. Nur ein Bruchteil des öffentlichen Auftragsvolumens würde uns als Unternehmen auf ein ganz neues Level heben.

Das ist auch wichtig, wenn man es in einem größeren Kontext betrachtet. Wenn wir schauen, wie die großen technologischen Trends der vergangenen Jahrzehnte zu Stande kamen, dann sehen wir: Es stehen Aufträge des amerikanischen Militärs dahinter. Aber welche sinnvolle, öffentliche Nachfragestrategie haben wir in Europa?

Dabei geht es nicht um Förderung im Allgemeinen, denn wir haben eine gute Forschungs- und Frühphasenförderung. Das Problem ist, dass den Unternehmen danach die Luft ausgeht – weil die Investitionen und Nachfrageprogramme nach der frühen Phase fehlen. Unsere großen, globalen Player sind vor 50 Jahren und mehr entstanden. Es kommt nichts nach, weil wir seit Jahrzehnten strukturpolitisch falsche Entscheidungen treffen.

Was brauchen wir generell, um unsere Wirtschaft in nachhaltigere Bahnen zu lenken?

In der Baubranche sollte der Abfall begrenzt werden: Über die Hälfte entsteht im Bausektor. Daher wäre es sinnvoll, zirkuläres Bauen zu fördern, bei dem Material wiederverwendet wird. Hier muss man bei den Zulassungsverfahren für Rezyklate ansetzen. Sie dienen dazu, ein System aufrecht zu erhalten, das von Lobbyarbeit gestützt wird – und nicht dazu, Verbraucher:innen zu schützen. Wenn solche Verfahren dann auch noch zu lange brauchen, überlassen wir den Markt den Unternehmen außerhalb von Europa.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Umkämpfte Wärmewende: Diskursstränge gegen das Gebäudeenergiegesetz von Dr. Tobias Haas, RIFS und Kolleg:innen

Transformation im Gebäudesektor: Ansätze für eine gesellschaftlich tragfähige Umsetzung von Prof. Dr. Matthias Kalkuhl, Universität Potsdam/ PIK und Kollegen

Den Kohlenstoffkreislauf schließen: Technologien für die Transformation von Dr. Thomas Kropp, Institut für Innovation und Technik 



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