Den Kohlenstoffkreislauf schließen: Technologien für die Transformation
Unser heutiger Lebensstil basiert auf fossilen Rohstoffen und verursacht erhebliche Mengen an Treibhausgasemissionen und Plastikmüll, die den natürlichen Kohlenstoffkreis aus dem Gleichgewicht bringen. Die daraus resultierenden Probleme wie Klimawandel und Umweltverschmutzung können nur durch eine Transformation der Wirtschaft gelöst werden. Dies wiederum erfordert einen geeigneten politischen Rahmen, den es zu schaffen gilt.
Der natürliche Kohlenstoffkreislauf
Der natürliche Kohlenstoffkreislauf beschreibt die Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen globalen Kohlenstoffreservoirs und ist damit die Grundlage für das Leben auf der Erde. Das größte Kohlenstoffreservoir ist die Lithosphäre, wo Kohlenstoff in Form von Mineralien und fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdöl oder Erdgas gebunden ist.
Aber auch in humushaltigen Böden und Gewässern sind substantielle Mengen an Kohlenstoff gebunden. Die Atmosphäre ist ein deutlich kleineres Reservoir, aber die Konzentration an Kohlenstoffdioxid (CO2) und Methan hat aufgrund des Treibhausgaseffekts einen signifikanten Einfluss auf das globale Klima. Die Biosphäre interagiert mit allen anderen Reservoirs und bindet selbst einen erheblichen Anteil am globalen Kohlenstoff in Form von Biomasse.
Wie der Mensch die Kohlenstoffflüsse beeinflusste
Seit der industriellen Revolution haben wir Menschen die natürlichen Kohlenstoffflüsse substantiell beeinflusst. Durch das Verbrennen von fossilen Energieträgern ist die Menge an CO2 in der Atmosphäre signifikant gestiegen – die Folge ist der globale Klimawandel. Gleichzeitig werden fossile Rohstoffe verbraucht und durch Deponierung oder wilde Entsorgung wird Kohlenstoff dem natürlichen Kreislauf entzogen.

Aus diesem Grund ist eine Transformation der Wirtschaft unumgänglich. Treibhausgasemissionen müssen durch eine Energie- und Wärmewende reduziert werden. Gleichzeitig müssen nachhaltige Alternativen für fossile Rohstoffe erschlossen werden, was auch als Molekülwende bezeichnet wird. Eine geschlossene Kreislaufwirtschaft ist damit eine Grundvoraussetzung für die Molekülwende.
Technologieführerschaft durch Energie- und Wärmewende
Das Bereitstellen von Strom und Wärme durch fossile Energieträger verursacht CO2-Emissionen und führt zu einer Verschiebung des Gleichgewichts im natürlichen Kohlenstoffkreis. Um der zunehmenden Konzentration an Treibhausgasen in der Atmosphäre und dem damit verbundenen Klimawandel entgegenzuwirken, müssen diese Emissionen begrenzt werden.
Hierfür ist ein fortlaufender Ausbau der Erzeugungskapazitäten für erneuerbare Energien erforderlich. Im Jahr 2024 stammte der Großteil der Nettostromerzeugung aus erneuerbaren Quellen. Aktuelle Schätzungen gehen aber davon aus, dass sich die Stromnachfrage bis 2045 mehr als verdoppeln wird. Hintergrund ist die Elektrifizierung von Wärmeerzeugung, Industrieprozessen sowie der Hochlauf der Elektromobilität. Aufgrund der schwankenden Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien sind gleichzeitig Investitionen in das Übertragungsnetz sowie der Aufbau von Energiespeichern erforderlich.
Direktelektrifizierung nicht überall möglich
Aber nicht alle Prozesse können direkt elektrifiziert werden. Die spezifischen Anforderungen einzelner Prozesse wie der industriellen Verarbeitung von Metallen und Mineralien werden auch in Zukunft Brennstoffe erfordern. Wasserstoff, der mittels Elektrolyse aus Wasser und Strom gewonnen wird, kann für eine indirekte Elektrifizierung dieser Prozesse genutzt werden. Auch können Wasserstoff und seine Derivate als Medium für Energieimporte genutzt werden. Umfragen wie der Wasserstoff-Sentiment-Index zeigen ein erhebliches Marktpotenzial für Wasserstofftechnologien auf.
Abscheidetechnologien, insbesondere in Verbindung mit der langfristigen Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, kurz CCS), können ebenfalls zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen genutzt werden. Insbesondere bei anderweitig nicht vermeidbaren Prozessemissionen, wie sie bei der Herstellung von Kalk und Zement anfallen, ist der Einsatz von Abscheidetechnologien sinnvoll. In einer kürzlich erschienenen Publikation des Instituts für Innovation und Technik diskutieren wir mögliche Anwendungsfelder.
Die hier umrissene Transformation der Wirtschaft erfordert signifikante Investitionsausgaben, welche geeignete Finanzierungsinstrumente und einen stabilen gesetzlichen Rahmen erfordern. Die Investitionen stellen eine Herausforderung aber auch eine Chance dar. Europäische Unternehmen können durch eine frühzeitige Transformation eine Technologieführerschaft erlangen und so einen langfristigen Marktvorteil generieren.
Nachhaltige Rohstoffe für die Industrie
Um das ursprüngliche Gleichgewicht im natürlichen Kohlenstoffkreis wiederherzustellen, muss CO2 als Kohlenstoffquelle für die chemische und pharmazeutische Industrie erschlossen werden. Aktuell werden chemische Erzeugnisse wie Kunststoffe oder Medikamente überwiegend aus fossilen Rohstoffen erzeugt, welche im Rahmen der Molekülwende durch nachhaltige Rohstoffe ersetzt werden müssen.
Carbon Capture and Utilization (CCU): CO2 kann hierfür aus industriellen Punktquellen bezogen werden, deren Abgase mittels CCU aufbereitet werden. Alternativ kann CO2 auch direkt aus der Luft gefiltert werden, wenngleich dies mit einem höheren Energieeinsatz verbunden ist. Neben der Installation von Abscheideanlagen ist hierfür auch der Aufbau einer CO2-Transportinfrastruktur erforderlich.
Power-to-X: Grundchemikalien wie höhere Kohlenwasserstoffe können über verschiedene Verfahren aus dem abgeschiedenen CO2 erzeugt werden. Diese Technologien werden unter dem Sammelbegriff Power-to-X häufig im Rahmen der Herstellung von regenerativen Kraftstoffen diskutiert. Neben einer Verwendung als Brenn- oder Kraftstoff sind die jeweiligen Produkte aber auch als Grundchemikalien von hoher Relevanz für die Molekülwende.
Kreislaufwirtschaft: Kohlenstoffhaltige Reststoffe wie Abfallbiomasse oder Kunststoffe stellen eine weitere Kohlenstoffquelle für die chemische und pharmazeutische Industrie dar. Durch den Aufbau einer effizienten Kreislaufwirtschaft wird verhindert, dass diese Rohstoffe dem natürlichen Kohlenstoffkreis durch Deponierung entzogen werden. Es handelt sich hierbei aber oft um komplexe Stoffgemische, was eine direkte stoffliche Nutzung erschwert. Diese Herausforderung kann durch eine vorgelagerte energetische Nutzung der Reststoffe mit einer anschließenden stofflichen Nutzung des CO2 bewältigt werden.
Regulatorischer Rahmen unvollständig
Der Markthochlauf dieser Technologien erfordert einen geeigneten regulatorischen Rahmen. Die Bundesregierung hat 2024 die Eckpunkte der Carbon Management-Strategie beschlossen. Deren Finalisierung und die damit verbundene Anpassung des Kohlendioxid-Speichergesetztes stehen aber noch aus. Auch der regulatorische Rahmen zur Berücksichtigung von CCU im europäischen Emissionshandel (EU ETS 1) ist noch nicht abschließend geklärt.
Aufgrund dieser Dynamik sind viele Unternehmen zurückhaltend mit finalen Investitionsentscheidungen, weshalb die Molekülwende im Vergleich zum Markthochlauf von erneuerbaren Energien nur langsam vorankommt. Langfristig ist eine Molekülwende vor dem Hintergrund der begrenzten Verfügbarkeit von fossilen Rohstoffen aber zwingend notwendig.
Handlungsbedarf für die Bundesregierung
Das deutsche Klimaschutzgesetz sieht vor, dass Deutschland bis 2045 eine klimaneutrale und wettbewerbsfähige Volkswirtschaft sein soll. Auf europäischer Ebene wurde mit „Fit for 55“ ein Maßnahmenpaket beschlossen, das die EU bis 2050 klimaneutral machen soll. Diese Transformation erfordert erhebliche private Investitionen.
Hierfür muss die Politik planbare Rahmenbedingungen bereitstellen und den Ausbau der erforderlichen Infrastruktur planbar vorantreiben. Auch der gesetzliche Rahmen für den Einsatz von CCU- und CCS-Technologien muss schnellstmöglich finalisiert werden.
Gleichzeitig muss die Wettbewerbsfähigkeit der nachhaltigen Produkte mitgedacht werden. Dies erfordert den Aufbau von grünen Leitmärkten sowie das Bereitstellen geeigneter Finanzierungsinstrumente, die die aktuell noch bestehenden Mehrkosten der nachhaltigen Produktionsverfahren ausgleichen. Auf diese Weise können die wirtschaftlichen Chancen erschlossen werden, die mit dem Schließen des Kohlenstoffkreises verbunden sind.
Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog
Öffentliche Stromerzeugung 2024: Deutscher Strommix so sauber wie nie von
Wasserstoff: Welche Rolle seine Emissionen für eine klimaneutrale Industrie spielen von Dr. Kathleen Mar und Prof. Dr. Rainer Quitzow, RIFS
Grundstoffindustrie: Wie grüne Importe die Wettbewerbsfähigkeit sichern könnten von Dr. Philipp C. Verpoort, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Kommentar verfassen