Die Bedeutung des Waldes im Klimawandel

Nicole WellbrockThünen Institut für Waldökosysteme
Andreas BolteThünen-Institut für Waldökosysteme

Der Zustand des Waldes beschäftigt die Öffentlichkeit regelmäßig wie kaum ein anderes Thema. Und das bereits seit den 1980er Jahren. Meist im Frühjahr, wenn der Waldzustandsbericht erscheint oder wenn es zu größeren Schadereignissen kommt. Die Diskussion flacht ab, wenn die Witterung günstig ist oder Schadensereignisse abklingen. Doch dieses Mal ist es anders. Warum?

Die Wälder sind heute vielfältiger geworden im Aufbau, in der Baumartenzusammensetzung und im Baumalter. Die häufigsten Baumarten waren in Deutschland lange Jahre die Nadelbäume Fichte und Kiefer, gefolgt von den Laubbäumen Buche und Eiche. Der Anteil der Baumart Fichte hat aber in den letzten Jahren deutlich abgenommen.

Vom Nadel- zum Laubwald

Lag der Anteil der Fichte in der Stichprobe der Waldzustandserhebung im Jahr 1990 noch bei ca. 30 Prozent, liegt diese 2023 bei bei unter 20 Prozent. Dies bedeutet nicht nur eine Veränderung von Nadelwald zu mehr Laubwald, es bedeutet auch eine Veränderung zu mehr strukturreichen Mischwäldern.

Gleichzeitig hat sich aber der Zustand des Waldes insgesamt verschlechtert, wie die Waldzustandserhebung zeigt. Über die Jahre betrachtet weisen insbesondere Buchen und Eichen höhere Laubverluste auf als die Nadelbäume. Die Waldzustandserhebung erfasst jährlich den Zustand eines Baumes anhand des Nadel- oder Laubverlustes gegenüber einem gesunden Baum. Die Nadel- und Blätter sind für die Energie-, Nähr- und Wasserversorgung wichtig. Doch seit den Trockenjahren 2018-2020 sowie 2022 wird auch bei den Nadelbäumen ein deutlicher Nadelverlust festgestellt.

Komplexe Probleme erfordern komplexe Lösungen

Der Wald konnte sich auch trotz besserer Witterung in den Folgejahren nicht erholen. Auf ca. 500.000 ha sind Fichtenbestände flächig nach Sturmereignissen, Trockenheit und besonders Borkenkäferbefall abgestorben, Tendenz weiter steigend. Besonders betroffen ist die Mitte Deutschlands von Nordrhein-Westfalen über Sachsen-Anstalt bis nach Sachsen. Sinnbild dafür ist der Harz. Anders als in den 1980 Jahren sind es nicht die saurer wirkenden Luftschadstoffe, die zur Verschlechterung des Waldzustandes führen, sondern der Klimawandel und begleitender Befall durch Schaderreger wie die Borkenkäferarten Buchdrucker und Kupferstecher.

Damals führte die Technische Verordnung zur Luftreinhaltung (TA Luft) zum Einbau von Filteranlagen in Industrie- und Kraftwerksanlagen zum schnellen Erfolg bei der Luftreinhaltung. Die technischen Maßnahmen wurde international durchgeführt und konnten die grenzüberschreitenden Luftschadstoffe reduzieren.

Da der Auslöser diesmal der weltweite, stark erhöhte Ausstoß von Treibhausgasen wie beispielsweise Kohlendioxid ist, werden nationale und europäische technische Maßnahmen allein nicht zum Erfolg führen können, sondern nur die globale Begrenzung des Treibhausgasausstoßes. Die Anpassung der Wälder durch die Entwicklung von Mischwäldern mit besser an Hitze und Trockenheit angepasster Baumarten kann hier zusätzlich unterstützen, aber keineswegs die erforderlichen, deutlichen Fortschritte bei der Minderung des Treibhausgasausstoßes ersetzen.

Breite Diskussion erforderlich

Der Klimawandel selbst und die Anpassung der Wälder an dessen Auswirkungen wird die Wälder und deren Leistungen für uns Menschen verändern. Daher sollte eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen der Leistungen unserer Wälder und die Gestaltung der Wälder der Zukunft geführt werden.

Neben der Bereitstellung von Holz sollen die Wälder sauberes Trinkwasser hervorbringen und Hochwasser dämpfen, die Böden vor Erosion und den Austrag von Nährstoffen schützen, zur Kühlung des regionalen Klimas beitragen, durch Kohlenstoffspeicherung das Klima schützen und vielfältige Lebensräume für Pflanzen- und Tiere bereitstellen und so die Biodiversität erhalten. Auch die Erholungsfunktion gerade in oder in der Nähe von Städten ist nicht zu unterschätzen.

Der Wald und seine Senkenfunktion

Im Klimawandel spielt die Aufnahme von Kohlendioxid in den Wäldern durch Fotosynthese und langfristige Kohlenstoffspeicherung in den Bäumen und in langlebigen Holzprodukten eine wichtige Rolle. Die jährliche Aufnahme von Kohlendioxid und damit die aktuelle Senkenfunktion für Treibhausgase hängt am Wachstum der Bäume. In ihrem Holz wird der Kohlenstoff gebunden und ihr Laubfall bzw. absterbende Wurzeln bilden den Bodenkohlenstoff.

Auf den aktuellen großflächigen Schadflächen mit abgestorbenen Fichten wird der Bodenkohlenstoff aber schnell umgesetzt und in Form von Kohlendioxid wieder an die Atmosphäre abgegeben. Das Schad- und Totholz wird entweder entnommen und weiterverarbeitet oder verbleibt im Wald und wird über einen Zeitraum von meist mehreren Jahrzehnten ebenfalls zersetzt. Der Kohlenstoff wird dann in die Atmosphäre abgegeben.

Da im nachfolgenden Jungbestand die flächenbezogene Kohlenstoffaufnahme in den Jahren gering ist, sind viele diese Schadflächen keine Kohlenstoffsenken mehr, sondern geben mehr Kohlendioxid ab als sie aufnehmen. So wirken die aktuellen Waldschäden sich direkt mindernd auf die Klimaschutzleistung unserer Wälder aus.

Im Jahr 2017 waren 1.169 Millionen Tonnen Kohlenstoff in lebenden Bäumen und in Totholz gebunden.

Nicole Wellbrock und Andreas Bolte

Das sind rund 105 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar in der ober- und unterirdischen Biomasse. Die Bodenzustandserhebung im Wald gibt für die Streuauflage und den Mineralboden einen Vorrat von weiteren 850 Millionen Tonnen Kohlenstoff an.

Der Wald in Deutschland wirkte zwischen 2012 und 2017 als Kohlendioxid-Senke und entlastete die Atmosphäre jährlich um rund 62 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Der Holzproduktepool lieferte eine zusätzliche Klimaschutzleistung in Höhe von 2 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Weitere Klimaschutzleistungen erbringt der Ersatz energieintensiver Materialien wie Beton, Stahl und Eisen sowie Kunststoff durch Holz.

Waldschäden stellen Klimaschutzleistung zukünftig in Frage

Die aktuellen Waldschäden stellen den Umfang der Klimaschutzleistung unserer Wälder zukünftig in Frage. Die zukünftige Kohlenstoffspeicherung im Wald durch großflächige Aufgabe der Waldnutzung zu erhöhen, vermindert die Möglichkeiten, Kohlenstoff in Holzprodukten auf heimischen Wäldern zu speichern und erhöht den Druck, den vorhandenen Holzbedarf aus anderen Ländern mit geringeren Bewirtschaftungsstandards zu decken. Letztlich würden so heimische Wälder auf Kosten von Wäldern in anderen Teilen der Welt geschont mit keinen oder sogar negativen Folgen für den Klimaschutz weltweit.

Neben der Kohlenstoffspeicherung wirken sich Wälder auch kühlend aus. Insbesondere Laubwälder verdunsten Wasser und kühlen dadurch ihre Umgebung. Das ist im Klimawandel nicht nur für den Wald wichtig, sondern kann auch in den Städten eine wichtige Aufgabe sein, die Temperaturen zu senken. Für die Kühlungswirkung und die vielen anderen wichtigen genannten Leistungen müssen die Wälder jedoch erhalten und dafür klimastabil umgebaut werden.

Mehr Resilienz für den Wald

Wälder mit den heute heimischen Baumarten werden beim Fortschreiten des Klimawandels nicht alle den Wetterveränderungen standhalten. Vorrausichtlich wird es längere Perioden mit Trockenheit oder Dürre, Spätfröste und Hitzeperioden geben. Welche Baumarten in 50 bis 80 Jahren klimastabil sind, ist schwer abzuschätzen. Die Fichte wird es auf sehr vielen Standorten nicht mehr sein.

Viele der heute weiterbreiteten Arten wie die Buche zeigten in den Trockenjahren 2018-2020, dass sie längere trockene und heiße Zeitabschnitte nicht gut vertragen können. Auch wenn die Buche resilienter ist und nicht wie die Fichte innerhalb kürzester Zeit abstirbt, sind deutliche Vitalitätsverluste bei der Buche schon jetzt zu verzeichnen.

Gerade die gegenüber Schädlingen anfälligen Reinbestände sollten in Mischbestände umgebaut werden. Durch den Klimawandel werden andere Schädlinge einwandern und sind besser vermehren können. Angesichts der großen Unsicherheiten bei der Anpassungsfähigkeit vieler Baumarten minimiert ein Mischwald das Risiko für einen Totalverlust. Da die Hälfte der Wälder in Deutschland Privatwälder sind und Waldumbaumaßnahmen sehr kostenintensiv, werden staatliche Fördermaßnahmen und eine eingehende Beratung des Waldbesitzenden durch die Forschungsanstalten der Länder und weiterer Einrichtungen benötigt.

Der Erhalt und die Produktivität der Wälder sind ein wichtiger Beitrag gegen den Klimawandel. Ohne wirkungsvolle Maßnahmen zur Minderung des Treibhausgasausstoßes aus anderen Sektoren wie dem Verkehr und dem Bau- und Energiesektors werden die Maßnahmen zur Erhaltung und Anpassung der Wälder mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen.



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