Der Klimawandel als Chance zur Modernisierung der Wirtschaft
Direkte ökonomische Auswirkungen des Klimawandels auf die Energieerzeugung, die Energiewirtschaft, die Industrie und die Landwirtschaft sind offenbar. Klimaveränderungen beeinflussen das Wetter in der Weise, dass bekannte Phänomene sowohl verstärkt werden als auch häufiger und an vielen Orten der Erde gleichzeitig vorkommen. So hat der heiße Sommer des Jahres 2018 zweifellos Ernteausfälle und damit Kapitalvernichtung in der deutschen Landwirtschaft verursacht.
Aber neben solchen direkten Auswirkungen sind weitere indirekte Schäden zu erwarten und bereits eingetreten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung beziffert Auswirkungen auf die Ökologie, zum Beispiel durch die Zunahme von Waldbränden und den Verlust von Artenvielfalt, oder auf gesundheitliche Aspekte, beispielsweise Entwicklung von Krankheiten oder Sterblichkeit, im Billionenbereich: „Bei einer Temperatursteigerung um 1 Grad Celsius können globale Schäden bis zu 214 Billionen US-Dollar über einen Zeitraum von 50 Jahren auftreten. Allein im Jahr 2050 wären dies Schäden in Höhe von weltweit 2 Bill. US-Dollar.“
Hitzewellen mit Rekordtemperaturen, anhaltende Dürren, Starkniederschläge, extreme Kälte und Rekordschneehöhen sind die bislang spürbarsten Phänomene für Bevölkerungen der nördlichen Hemisphäre. Der schleichende Anstieg des Meeresspiegels, steigende Wassertemperaturen und das damit einhergehende Absterben komplexer ozeanischer Ökosysteme treffen bislang vor allem Küsten- und Inselbewohner der südlichen Halbkugel und müssen aufgrund ihrer globalen volkswirtschaftlichen Auswirkungen und ökologischen Dramatik viel stärker in einen globalen Fokus gerückt werden – auch im ureigenen Interesse westlicher Industrienationen. Es muss darum gehen, die biologische Vielfalt zu erhalten, Ökosysteme zu sichern und unsere Erde in einem intakten Zustand an die kommenden Generationen zu übergeben.
Chance zur Modernisierung der Volkswirtschaft
Kurz- und mittelfristige negative Effekte klimapolitischer Maßnahmen auf wirtschaftliches Wachstum sind im Hinblick einer auf Jahrzehnte angelegten modernen Wirtschafts- und Energiepolitik zu überprüfen. Fossile Systeme bieten zwar den Vorteil geringer Investitionen bei großem Nutzen in der Gegenwart – die Kosten für Brennstoffe und die Schäden einer ungebremsten CO2-Emission in der Zukunft sind jedoch gravierend. Bei einem CO2-freien System verhält es sich umgekehrt: Hohe Anfangsinvestitionen stehen niedrigen Brennstoffkosten und weniger Schäden in der Zukunft entgegen.
Zweifellos ist der Klimaschutz eine große Chance zur Modernisierung unserer Volkswirtschaft. Die Behauptung, Klimaschutz schade der Wirtschaft, ist längst widerlegt. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Technologien der Zukunft ökologisch sein werden. Auf der anderen Seite werden Produkte, die die Umweltkomponente ignorieren, am Markt immer weniger erfolgreich sein. Wenn wir Europäer nicht Vorreiter sind, werden andere die Märkte der Zukunft gestalten. Dann blieben wir zurück.
Wir haben findige Ingenieurinnen und Ingenieure, die die Technologien von morgen entwickeln können. Wir haben mutige Unternehmerinnen und Unternehmer und bestens ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wer, wenn nicht wir, kann die Technologien bereitstellen, die nachhaltigen Wohlstand für die Zukunft schaffen, ohne dabei unseren Planeten zu zerstören?
Die Geschichte der Menschheit und die Entwicklung unserer Volkswirtschaften waren immer geprägt von Knappheit und Anpassung. Entgegen den Annahmen des Club of Rome im Jahr 1972 wird dieses Jahrhundert jedoch nicht durch einen Mangel an fossilen Ressourcen geprägt sein, sondern durch die begrenzte Aufnahmefähigkeit von Klimagasen durch die Atmosphäre. Die in Paris beschlossene Begrenzung des Anstiegs der globalen Mitteltemperatur auf zwei Grad Celsius entspricht einem Budget von etwa 700 bis 800 Gigatonnen CO2. Das ist die maximale Menge, die die Menschheit noch in der Atmosphäre ablagern darf, bevor das Zwei-Grad-Ziel mit großer Wahrscheinlichkeit verfehlt wird. Demgegenüber stehen geschätzte 15.000 Gigatonnen CO2, die als Kohle, Öl und Gas im Boden lagern.
Neue Arbeitsplätze in Zukunftsindustrien
Für die internationale Klimapolitik hat dies gravierende Konsequenzen: Die entscheidungstragenden politischen Akteure müssen durch strenge Regeln und Verträge dafür sorgen, dass die fossilen Ressourcen im Boden bleiben und die Atmosphäre als das Allmendegut der gesamten Menschheit geschützt wird. Es besteht die begründete Hoffnung, dass der technische Fortschritt der erneuerbaren Energien deren Stromgestehungskosten so weit senken kann, dass für die Gewinnung und Nutzung fossiler Energieträger keine ökonomischen Anreize mehr bestehen.
Hier setzt die sogenannte Divestment-Bewegung an, die darauf abzielt, Investitionen aus fossil geprägten und damit klimarelevanten Engagements zurückzudrängen. Die Potenziale eines solchen Divestments haben bereits den Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, dazu veranlasst, nachdrücklich vor den Gefahren sogenannter Stranded Assets zu warnen. Hier sind dies Portfolios, die durch steigende CO2-Preise von massiver Abwertung betroffen sein können: Käme es in den kommenden Jahren zu weltweit steigenden CO2-Preisen, müssten heute gebaute Kohlekraftwerke abgeschrieben werden. Die Verluste würden jene Banken in ihrer Liquidität bedrohen, die bislang noch massiv in diese Sparte investieren. Carney fordert deshalb die Offenlegung derartiger Risiken in den Unternehmensberichten.
Auf dem Weg zu einem sozial ökologischen Umbau unserer Gesellschaft, hat die Politik eine kategorische Pflicht, Deutschland fit für die Zukunft zu machen, sozial ausgewogen und wirtschaftlich stark. Nur mit einem milliardenschweren Investitionspaket kann dieses Ziel erreicht werden. Neue Arbeitsplätze können entstehen, indem Zukunftsindustrien durch Investitionen gefördert werden und Planungssicherheit für die Wirtschaft geschaffen wird.
Politik muss verlässliche Rahmenbedingungen schaffen
Allerdings bleibt es Aufgabe der Politik, klare und verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Nur so können sich Unternehmer, Investoren und Verbraucher langfristig orientieren. Planungssicherheit bedeutet, langfristige Strategien zu entwickeln. In Deutschland haben wir in meiner Zeit als Umweltministerin daher den Klimaschutzplan 2050 verabschiedet, der unsere Strategien auf dem Weg in ein weitgehend treibhausgasneutrales Land bis zur Mitte des Jahrhunderts aufzeigt. Er umfasst die Sektoren Energiewirtschaft, Mobilität, Landwirtschaft, Industrie und den Gebäudebereich. Damit sollen die EU-Ziele, den CO2-Ausstoß bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu senken, umgesetzt werden. Noch in diesem Jahr werden wir ein Klimaschutzgesetz verabschieden. Dieses soll festlegen, welche Sektoren wie viel CO2 einsparen müssen. Um unsere ambitionierten Ziele zu erreichen, muss neben der Energiewirtschaft vor allem der Verkehrssektor liefern. Hier allerdings sind die aktuellen Vorarbeiten noch nicht weit gediehen.
Unser Ziel ist, eine klare Richtung für Investitionen vorzugeben: raus aus Kohle, Öl und Gas, hinein in erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz. Wenn man – wie wir – nicht weniger vorhat, als die Volkswirtschaft zu transformieren, dann geht das nur mit klaren Koordinaten: Jeder muss sehen können, wohin der Weg führt. Ich bin mir sicher, dass auf diese Weise die Voraussetzungen für Erfolg versprechende Kapitalallokationen geschaffen werden.
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