Baustelle

Concular: „Die Klimakrise wird auf der Baustelle entschieden“

In unserer Interview-Reihe sprechen wir mit kleinen und mittleren Unternehmen über das Thema nachhaltige Innovationen – und darüber, welche staatlichen Rahmenbedingungen aus ihrer Perspektive gegeben sein müssen, damit die anstehende Nachhaltigkeitstransformation erfolgreich bewältigt werden kann.

Dieses Mal geht es um das Unternehmen Concular, das sich auf zirkuläres Bauen spezialisiert hat. Mitgründer Dominik Campanella erläutert im Interview, warum zirkuläres Bauen nicht nur nachhaltig, sondern auch ökonomisch ist – und warum die Klimakrise auf dem Bau entschieden wird. 

Könnten Sie uns Ihr Produkt näher erläutern?

Concular ermöglicht die Wiederverwendung von Bauprodukten. Bisher werden viele Materialien einfach weggeschmissen, wenn Gebäude abgerissen werden. Gerade mal ein Prozent wird wiederverwendet. Werden Gebäude also rückgebaut oder umgebaut, nehmen wir die Materialien auf, suchen auf digitalen Wegen nach Abnehmern und bereiten das Material auf. An verschiedenen Stellen im Prozess gibt es dann Qualitätstests und Prüfverfahren, wir geben zudem die Gewährleistung. Dann bringen wir das Material zur neuen Baustelle. Dort unterstützen wir teilweise auch beim Bau.

Für sicherheitsrelevante oder tragende Baumaterialien haben wir zudem Rezertifizierungsverfahren entwickelt, die wir dem Markt auch kostenfrei zur Verfügung stellen, damit der sich weiterentwickelt. So kommen wir einer nachhaltigen Bauweise näher. Auch wenn das noch längst nicht der Standard ist, wie man ehrlich sagen muss.

Wie schwierig ist es, Baumaterialien kostengünstig zu recyclen?

Das kommt auf das Material an. In den meisten Fällen sind die Rezyklate aber preiswerter als neue Baustoffe. Wir reden da im Schnitt über etwa 20 Prozent. Und: von 400 Prozent weniger CO2. Aber es gibt natürlich Ausnahmen.

Es ist zum Beispiel schwierig, Fenster wiederzuverwenden, sofern diese älter als fünf Jahre sind. Das liegt daran, dass Energieeffizienzwerte in der Regel nach dieser Zeitspanne nicht mehr gültig sind. Wenn das Fensterglas also ausgetauscht werden muss, wird es teuer. Dachziegel sind ein anderes Beispiel. Es ist einfach sehr aufwendig, sie einzeln vom Dach abzunehmen, zu stapeln und zu transportieren. Zumal sie auch ein sehr kostengünstiges Produkt sind.

Bei Produkten, die einen hohen Wert haben, können unsere Kund:innen dagegen viel Geld sparen, wenn sie sich für wiederverwendete Baustoffe entscheiden. Gerade im Immobiliensektor zählt jeder Cent. Das ökologische Argument ist hier wichtig, das ökonomische aber noch mehr.

Wenn Sie sich von der Politik etwas für Ihre Branche wünschen dürften – was wäre das?

In erster Linie, dass überhaupt eine Veränderung geschieht und wir nicht noch länger den Status quo beibehalten. In der EU sollen für Bauverfahren ab 2027 strengere Regeln für CO2 eingeführt werden. Das ist ein wichtiger Hebel, denn die Klimakrise wird auf der Baustelle entschieden.

Andere Länder haben bereits verstanden: Je früher sie anfangen, sich zu bewegen, desto einfacher wird es ab 2027. Deutschland setzt in dieser Beziehung aber bislang leider gar nichts um. Es wird also entweder damit enden, dass man kurz vorher ein Hauruckverfahren probiert – oder dass man gar nichts tut und Strafen zahlt. Dass diese EU-politischen Rahmenbedingungen nicht umgesetzt werden, führt dazu, dass sich konventionelles Bauen noch lohnt, obwohl es sehr klimaschädlich ist.

Hinzu kommt, dass wir ein Problem für unsere Wirtschaft schaffen. Denn in Europa bemühen sich Hersteller von Baumaterialien jetzt schon darum, die CO2-Anforderungen zu erfüllen. Deutsche Hersteller werden dagegen relativ unvorbereitet sein und einen Wettbewerbsnachteil haben. Wir werden im europäischen Markt abgehängt.

Hat Deutschland hier ein Lobbyproblem oder ein Haltungsproblem?

Das ist schwierig, zu sagen. Ich denke, dass das Thema grüne Transformation zu stark mit der grünen Partei verbunden wird. Die aktuellen Regierungsparteien wollen sich aber von den Grünen abheben – und distanzieren sich daher auch von der Transformation.

In der Baubranche sehen wir allerdings auch viel Lobbyismus und Greenwashing. Es gibt Zementhersteller, die ihr Logo grün umfärben und behaupten, sie wären nachhaltig. Diese Kommunikationsstrategie funktioniert leider, löst aber nicht unsere Probleme. Stattdessen wird dann über CCS, Carbon Capture and Storage, gesprochen. So einfach funktioniert es aber leider nicht.

Was brauchen wir Ihrer Ansicht nach, um unsere Wirtschaft in nachhaltigere Bahnen zu lenken?

Ich halte es für wichtig, klimaschädliche Subventionen zu streichen. Auch, damit für ökologische Produkte der Nachteil gegenüber subventionierten, unökologischen Produkten wegfällt. Wichtig ist auch, günstige regulatorische Rahmenbedingungen zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist Ökostrom. Der war früher teuer, heute nicht mehr – unter anderem, weil die Rahmenbedingungen für Windkraft verbessert wurden und viele Investitionen in diesen Sektor geflossen sind. Auch das ist wichtig.

Dann wäre es mit Sicherheit gut, einige bürokratische Hürden abzuschaffen und mehr Pragmatismus walten zu lassen. Das gilt gar nicht so sehr für unsere Branche, denn hier machen viele Regeln Sinn und sprengen auch nicht den Rahmen. Ich denke da eher an die Bürokratie, die einen bei einer Unternehmensgründung oder bei dessen Führung erwartet. Wir haben einen Mitarbeitenden im Unternehmen, der sich allein damit beschäftigt, staatliche Anträge auszufüllen.

Natürlich geht es gerade bei Förderanträgen um Steuergelder, deren Verwendung geprüft werden muss. Das ist gut so. Aber die Vorgehensweise ist teilweise absurd. Wenn ich eine Förderung von der EU erhalte, dann kommt es dabei auf das Resultat an. Die EU will nicht sehen, wie viel Zeit in dieses Projekt geflossen ist – sondern sie will ein Ergebnis. Deutschland ist es egal, ob ein Projekt scheitert oder nicht. Hier kommt es bei Förderungen darauf an, dass die Stundenzettel der Mitarbeitenden korrekt ausgefüllt sind.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Mit CCS zur Klimaneutralität? Die Renaissance einer umstrittenen Technologie von Dr. Tobias Haas, RIFS und Kolleg:innen

Transformation im Gebäudesektor: Ansätze für eine gesellschaftlich tragfähige Umsetzung von Prof. Dr. Matthias Kalkuhl, Universität Potsdam/ PIK und Kollegen

Den Kohlenstoffkreislauf schließen: Technologien für die Transformation von Dr. Thomas Kropp, Institut für Innovation und Technik 



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