Arbeitsmarkt: Die ökologische Transformation der Beschäftigung schreitet voran

Prof. Dr. Ronald Bachmann RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
Dr. Markus JanserInstitut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
Dr. Florian LehmerInstitut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
Dr. Christina Vonnahme RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

Die ökologische Transformation der Wirtschaft kann den deutschen Arbeitsmarkt in vielfacher Hinsicht verändern. Unsere aktuelle Studie untersucht, in welchem Ausmaß und durch welche Prozesse die Beschäftigung in Deutschland im Zeitraum von 2012 bis 2022 umweltfreundlicher geworden ist. Die Analysen basieren auf der Klassifikation von Tätigkeiten, die in einem Beruf typischerweise ausgeführt werden.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Beschäftigung insgesamt umweltfreundlicher geworden ist. Dies lässt sich zum einen darauf zurückführen, dass die Tätigkeitsprofile von Berufen über die Zeit hinweg umweltfreundlicher geworden sind. Zum anderen haben sich die Beschäftigungsanteile von Berufen mit vielen umweltfreundlichen Tätigkeiten erhöht.

Kleine Farbenlehre der Berufe in der ökologischen Transformation

Die Messung der Umweltfreundlichkeit von Beschäftigung auf individueller Ebene ist schwierig, da Beschäftigten in der Regel nicht zugeordnet werden kann, welchen konkreten Einfluss ihre Tätigkeiten auf die Umwelt haben.

Unser aktuelles Diskussionspapier nutzt daher detaillierte Tätigkeitsbeschreibungen von Berufen der Bundesagentur für Arbeit und verbindet diese mit administrativen Daten von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die Tätigkeitsbeschreibungen werden genutzt, um die Tätigkeiten mithilfe eines Text-Mining-Ansatzes als umweltfreundlich („grün“), umweltschädlich („braun“) oder neutral („weiß“) in Bezug auf ihre Umweltwirkung zu klassifizieren.

Als Gesamtmaß für die Umweltwirkung eines Berufs berechnen wir einen „Greenness-of-Jobs-Index“ (GOJI), der sich aus dem Anteil von grünen minus dem Anteil von braunen Tätigkeiten eines Berufs ergibt. Mithilfe dieses Index analysieren wir, wie sich der Anteil von grünen und braunen Tätigkeiten in allen in Deutschland verzeichneten Berufen verändert. Zudem beziehen wir die Entwicklung von Beschäftigtenzahlen in den verschiedenen Berufen in die Analysen ein.

Der Anteil umweltfreundlicher Tätigkeiten steigt an

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die ausgeübten umweltfreundlichen Tätigkeiten im Analysezeitraum um 11 Prozent gestiegen sind, gleichzeitig sind die umweltschädlichen Tätigkeiten um 7 Prozent gesunken. Hierzu tragen zwei Entwicklungen bei:

  1. Veränderungen von Tätigkeitsprofilen innerhalb von Berufen („within-effect“ – Erhöhung des GOJI innerhalb von Berufen)
  2. Verschiebungen der Beschäftigungsanteile von Berufen mit niedrigem GOJI zu Berufen mit höherem GOJI („between-effect“)

Diese beiden Effekte tragen laut unseren Forschungsergebnissen etwa hälftig zum Gesamteffekt der Ökologisierung der Beschäftigung bei.

within-effect: Veränderung von Tätigkeitsprofilen innerhalb von Berufen

Die Veränderung von Tätigkeitsprofilen innerhalb von Berufen über die Zeit ist in Abbildung 1 dargestellt. Hier ist die Veränderung des GOJI relativ zum Basisjahr 2012 für Berufe abgetragen, die entsprechend ihres GOJI-Wertes im Jahr 2012 in 5 Gruppen (dunkelgrün bis dunkelbraun) eingeteilt sind.

Die Abbildung verdeutlicht, dass die Veränderung von Tätigkeitsprofilen vor allem in Berufen mit einem anfangs sehr hohen Anteil an umweltschädlichen Tätigkeiten – zum Beispiel im Automobilsektor – stattgefunden hat.

Diese Berufe sind im Untersuchungszeitraum etwas ökologischer geworden, indem umweltschädliche Tätigkeiten abgebaut wurden und umweltfreundliche Tätigkeiten, etwa in Bezug auf elektrische Antriebstechnologien, hinzugekommen sind.

Abbildung 1: Intensität des Greenness-of-Jobs-Index (GOJI) nach Gruppen über die Zeit

Between-Effekt: Veränderung von Beschäftigungsanteilen

Neben der inhaltlichen Veränderung von Tätigkeiten innerhalb von Berufen haben sich im Untersuchungszeitraum auch die Beschäftigungsanteile zwischen Berufen mit vielen umweltschädlichen bzw. -freundlichen Tätigkeiten verschoben.

Wie in Abbildung 2 dargestellt wird, sind insbesondere Beschäftigungszuwächse bei Berufen mit einem moderaten Anteil an umweltfreundlichen Tätigkeiten (hellgrün, +0,4 Prozentpunkte) sowie Beschäftigungsrückgänge bei Berufen mit einem moderaten Anteil an umweltschädlichen Tätigkeiten (hellbraun, –1,6 Prozentpunkte) hervorzuheben.

Abbildung 2: Beschäftigungsanteile nach GOJI-Gruppen über die Zeit

Analysen von Berufswechseln

In unserer Studie betrachten wir außerdem, wie häufig Berufswechsel zwischen Berufen mit unterschiedlichen Niveaus von umweltfreundlichen und umweltschädlichen Tätigkeiten stattfinden. Beispielsweise finden direkte Wechsel von Berufen mit vielen umweltschädlichen hin zu solchen mit vielen umweltfreundlichen Tätigkeiten selten statt. Beenden Beschäftigte in einem Beruf mit relativ vielen umweltschädlichen Tätigkeiten ihren Job, haben sie zudem häufig (zunächst) keinen neuen Job.

Konsequenzen für individuelle Beschäftigung: Vulnerable Gruppen schützen

Wir berechnen außerdem, wie wahrscheinlich es für Beschäftigte auf individueller Ebene ist, vom Jahr 2012 ausgehend in den Folgejahren weiterhin eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben. Diese Wahrscheinlichkeiten sind für Personen, die 2012 in einem Beruf mit vielen umweltschädlichen Tätigkeiten beschäftigt waren, besonders niedrig; in Berufen mit vielen umweltfreundlichen Tätigkeiten besonders hoch.

Da in Berufen mit vielen umweltschädlichen Tätigkeiten häufig ausländische und gering qualifizierte Personen beschäftigt sind, stellt der ökologische Wandel für diese Gruppen die größte Gefahr dar.

Um mögliche negative Auswirkungen der Transformation auf Beschäftigte zu reduzieren bzw. positive Auswirkungen zu erhöhen, ist weitere Forschung zu Folgen für Lohneinkommen und regionale Unterschiede erforderlich. Auch Anpassungen von Aus- und Weiterbildungen spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.

Fazit

Insgesamt zeigt unsere Studie, dass zwei Mechanismen bei der ökologischen Transformation der Beschäftigung eine etwa gleich wichtige Rolle spielen:

  • die Veränderung von Berufen („within-effect“)
  • die Verschiebung von Beschäftigungsanteilen hin zu umweltfreundlicheren Berufen („between-effect“).

Die Bedeutung des within-effects impliziert, dass Erwerbstätige nicht zwingend ihren Beruf wechseln müssen, um mit der ökologischen Transformation Schritt halten zu können. Der between-effect impliziert hingegen, dass auch Berufswechsel nötig sein können.

Somit erfordert die Anpassung an veränderte oder neue berufliche Qualifikationen Anstrengungen von Beschäftigten und Betrieben. Andernfalls drohen erhebliche Wohlfahrtsverluste für die Betroffenen. Geeignete Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen spielen daher eine entscheidende Rolle für den ökologischen Wandel des Arbeitsmarktes.

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