„Am besten greift die Politik gar nicht ein“

Annika TrappmannBlechwarenfabrik Limburg GmbH

Ein Teil der deutschen Wirtschaft tut sich schwer mit der Digitalisierung und fällt auch in Sachen Innovationskraft zurück. Das zeigt eine kürzlich von der Bertelsmann Stiftung veröffentliche Studie. Darunter leidet die gesamtwirtschaftliche Produktivität, die in Deutschland seit Jahren stagniert. Woran liegt es, dass scheinbar gerade in KMU (zu) wenig investiert und innoviert wird? Welche Herausforderungen bestehen bezüglich Digitalisierung und Nachhaltigkeit und was könnte die Politik tun, um die Rahmenbedingungen zu verbessern? 

Diesen Fragen wollen wir im Rahmen unserer Serie „Produktivität aus Unternehmenssicht“ nachgehen. Zu Wort kommen dabei Vertreterinnen und Vertreter von mittelständischen Unternehmen, die sich im Prozess der Automatisierung und Digitalisierung befinden. Im heutigen Teil unserer Serie: Annika Trappmann, Geschäftsführerin der Blechwarenfabrik Limburg GmbH.

Frau Trappmann, was genau produziert Ihr Unternehmen?

Die Blechwarenfabrik Limburg produziert Verpackungen aus Metall für chemisch-technische Füllgüter wie Farben, Lacke und Lasuren. Wir bestehen seit fast 150 Jahren und haben Standorte in Deutschland, Dänemark, Polen und Russland.

Sie haben 2020 den „Deutschen Umweltpreis“ erhalten. Was macht Ihr Unternehmen umweltfreundlicher als andere?

2014 haben wir uns für einen Neubau unserer Fabrik entschieden. Unser altes Gebäude in der Limburger Innenstadt war in 130 Jahren gewachsen – und das nicht immer logistisch effizient. Damit wären wir langfristig nicht mehr wettbewerbsfähig gewesen. Und haben uns deshalb in Limburg einen neuen Standort in einem Industriegebiet gesucht.

Für die neue Blechwarenfabrik gab es dann drei zentrale Themen: Material-, Informations- und Energiefluss. In diesen Bereichen haben wir 150 Einzelmaßnahmen umgesetzt, die im Zusammenspiel einen effizienten Standort schaffen. Unser ganzheitlicher Ansatz ist in Deutschland einzigartig.

Beispielsweise setzen wir fahrerlose Transportfahrzeuge ein. Unsere Lager sind automatisiert, dort arbeiten keine Personen mehr. Zudem haben wir einen großen Business Intelligence-Bereich aufgebaut. Unternehmen sind ja schon seit Jahrzehnten in der Lage, Daten zu sammeln. Jede Maschine ist mit der entsprechenden Sensorik ausgerüstet. Was aber nicht verbreitet ist: Diese Daten auszuwerten und daraus Kennzahlen zu bilden. Das tun wir in diesem Bereich, es funktioniert alles per Knopfdruck. Unsere Mitarbeiter sind dann in der Lage, die Kennzahlen zu interpretieren. So können wir effizienter werden, beispielsweise, indem wir unsere Ausschussraten minimieren. Denn die Bleche machen 60 Prozent unserer Kosten aus. Schon aus ökonomischen Gründen wollen wir daher wenig Material einsetzen. Die Maschinen dürfen also nicht zu viel Ausschuss produzieren. Anhand der Daten, die wir auslesen, können unsere Techniker hier Optimierungen vornehmen.

Um energetisch effizienter zu werden, arbeiten wir mit Photovoltaik. Wir setzen zudem auf LED-Beleuchtung, die automatisch gesteuert wird. Und wir heizen unsere Hallen nicht mit einer Heizung, sondern mit der Wärme, die bei den Produktionsprozessen entsteht.

Wie hoch waren die Kosten und der Aufwand für die Umrüstungen und in welchem Verhältnis stehen diese zu den entstandenen Effizienzgewinnen?

Das ist schwierig zu beziffern. Schon allein, weil wir mit dem Umzug noch gar nicht fertig sind. Das ist bei so einem großen Unternehmen keine Sache von wenigen Tagen – sondern, in unserem Fall, von zwei Jahren. Bislang haben wir rund 30 Millionen Euro ausgegeben. Grundsätzlich hätten wir die Investitionen aber nicht getätigt, wenn wir nicht davon überzeugt wären, dass sie sich lohnen.

Konnten Sie durch Ihre Innovationen neben den ökologischen Effekten auch einen merklichen Wettbewerbsvorteil generieren?

Unsere Kunden schätzen unsere Qualität und den Service, den wir bieten. Und auch der Neubau der Fabrik wurde von ihnen positiv aufgenommen. Unsere Investitionen wurden als positives Signal für die Zukunft bewertet. Denn viele Wettbewerber wurden verkauft oder haben ein Nachfolge-Problem. Zudem bewegen wir uns in einem Umfeld von internationalen Großkonzernen.

In der kürzlich veröffentlichten Studie „Innovative Milieus. Die Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen“ der Bertelsmann Stiftung kamen die Autoren zu dem Schluss, dass ein großer Teil der deutschen Wirtschaft bisher wenig innovativ ist. Die Produktivität lahmt seit Jahren. Wie schätzen Sie das ein? Woran liegt das?

Die deutsche Wirtschaft ist recht konservativ geprägt. Aber meinem Empfinden nach ist da ein Wandel im Gang. Gerade der Mittelstand wandelt sich und versucht, Innovationen zu entwickeln. Da sehe ich einen Unterschied zu Großkonzernen: Sie sind schwerfälliger. Der Mittelstand muss flexibler sein, um sich behaupten zu können. Die Unternehmen versuchen, an sich zu arbeiten.

Was könnte die Politik tun, um die Steigerung der Ressourcenproduktivität besonders in kleinen und mittleren Unternehmen zu unterstützen?

Am besten greift die Politik gar nicht ein. Viele Maßnahmen sind gut gemeint, helfen aber nicht – sondern machen es komplizierter. KMU brauchen einfache und klare Lösungen. Wir haben nicht die Manpower, um uns mit immer neuen Vorgaben zu beschäftigen. Das hemmt Neuerungen.

Wie geht es für die Blechwarenfabrik weiter? Welche Potenziale sehen Sie noch durch Digitalisierung und Innovationen?

Unser Großprojekt, die neue Fabrik, ist noch lange nicht abgeschlossen. Wenn man neue Systeme etabliert, braucht es eine Weile, bis diese stabil laufen. Und wir sind immer noch dabei, die Prozesse zu optimieren und Daten in unsere Entscheidungen einfließen zu lassen.

Beispielsweise wollen wir unseren Maschinenpark optimieren. Dort entwickeln wir selbst Werkezuge und Anlagen. Wir sind beispielsweise als einziges Unternehmen in der Lage, Bleche durch PET-Folie vor Korrosion zu schützen – und nicht durch Lacke. Dadurch sparen wir Gas ein. Die Kunden haben den Vorteil, dass die Folie in manchen Anwendungen beständiger ist. Wir wollen in Zukunft weitere und noch bessere Maschinen bauen.



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