Energetische Gebäudesanierung muss wieder in Schwung gebracht werden
Die Senkung des Heizenergieverbrauchs im Gebäudebestand stellt ein großes Einsparpotential für Treibhausgasemissionen dar. Seit mehr als einem Jahrzehnt wird daher gefordert, den energetischen Zustand der Gebäude durch erhöhte Dämmung der Gebäudehülle (Wände, Fenster, Dach) und effizientere Heizungssysteme zu verbessern.
Die Politik hatte daraufhin versucht durch Regulierungen wie Energieausweisen oder verschärfter Immissionsschutzverordnungen, aber auch durch unterschiedliche Förderprogramme Anreize für die energetische Sanierung zu setzen.
Bewertung der Fortschritte
In welchem Ausmaß durch die entsprechenden Maßnahmen Fortschritte beim energetischen Zustand erzielt werden konnten, ist allerdings kaum zu bewerten. Detaillierte Untersuchungen zum energetischen Zustand der Gebäude sind ausgesprochen aufwendig und liegen nur für einzelne Jahre vor.
Ein alternativer Ansatz für die Erfassung und damit ein Monitoring der energetischen Gebäudesanierung beruht nicht auf physischen Indikatoren, sondern auf den Ausgaben für die entsprechenden Investitionen. Wieviel Geld in die energetische Gebäudesanierung geflossen ist, kann anhand der Beobachtung der Bauaktivitäten geschätzt werden.
Dabei lassen sich allerdings nicht die konkreten Mehraufwendungen zur energetischen Verbesserung bestimmen, die beispielsweise durch den Einbau eines Dreischeibenglases gegenüber einem Doppelglasfensters entstehen. Wohl aber lassen sich die Gesamtaufwendungen für den Fenstereinbau einschließlich Vor- und Nacharbeiten bestimmen.
Entwicklung der Investitionsausgaben
Die jährlichen Investitionsausgaben für die Dämmung von Gebäuden, die Erneuerung von Fenstern, Türen und Heizungsanlagen in Deutschland belaufen sich aktuell auf 67 Milliarden Euro. Damit wurden für die energetische Gebäudesanierung fast 40 Prozent mehr ausgegeben als Anfang der 2010er Jahre.
Berücksichtigt man die gerade zuletzt deutlichen Preissteigerungen, liegen die realen Investitionen insgesamt aber deutlich unter dem Niveau Anfang der 2010er Jahre.
Der erste Tiefpunkt der realen Investitionen in die energetische Gebäudesanierung war 2015. Es folgte eine zwischenzeitlich deutliche Erholung der Investitionstätigkeit. Seit 2018 verharren die jährlichen realen Investitionssummen aber weit unter dem Niveau des Ausgangsjahres. Mit den zuletzt starken Preissteigerungen wurde 2022 ein neuer Tiefpunkt erreicht. Das reale Investitionsvolumen liegt nun gut 13 Prozent niedriger als 2011.
Die Investitionstätigkeit in der energetischen Gebäudesanierung entwickelte sich damit deutlich schlechter als in anderen Bereichen des Hochbaus. Insbesondere der Neubau von Wohnungen und die Errichtung von Nichtwohngebäuden legte trotzt der aktuellen Schwächephase stark zu.
Die Neubauinvestitionen stiegen von 2011 bis 2022 unter Abzug der Preissteigerungen um mehr als 43 Prozent. Auch die anderen Maßnahmen an bestehenden Gebäuden jenseits der energetischen Sanierung wie die Modernisierung der Sanitäreinrichtungen oder allgemeine Instandhaltungen konnten über den Gesamtzeitraum zumindest leichte reale Zuwächse erzielen. Nach einer Schwächephase Anfang der 2010er Jahre nahmen die Investitionen hier wieder spürbar zu. So lagen sie 2022 preisbereinigt um sieben Prozent über ihrem Wert von 2017.
Wann wird investiert – und wann nicht?
Welche Ursachen im Einzelfall bei der Entscheidung für oder gegen eine Investition in die energetische Sanierung ausschlaggebend waren, lässt sich mit den hier vorliegenden Daten nicht nachweisen. Wohl aber lassen sich insbesondere aus dem zeitlichen Verlauf erste Hinweise auf mögliche ausschlaggebende Determinanten finden.
Korrelation mit Energiepreisen
So scheinen die Schwankungen der Ausgaben für die energetische Gebäudesanierung teilweise deutlich mit den Änderungen der Energiepreise zu korrelieren. In den Jahren 2014 bis 2017 waren die gewichteten Energiepreise von Gas und Öl spürbar rückläufig.
Insbesondere im Nichtwohnungsbau gingen die Investitionen in die Sanierung der Gebäudehülle mit nachlassenden Energiepreisen zeitgleich stark zurück. Mit den bereits 2021 einsetzenden Energiepreissteigerungen nahmen die Ausgaben für die energetische Gebäudesanierung auf breiter Front wieder zu.
Auslastung der Gewerke im Hochbau
Diese Ausgabenzuwächse wurden in den letzten Jahren zu einem wesentlichen Teil allerdings durch die Preissteigerungen aufgezehrt. Im Jahr 2022 stiegen die Preise sogar mehr als die Ausgaben. Ein entscheidender Grund dafür, dass die Mehrausgaben in Preissteigerungen verpufften, lag an der hohen Auslastung der Gewerke im Hochbau.
Insbesondere der Wohnungsneubau hat in den Jahren bis 2021 immer mehr Kapazitäten der Bauwirtschaft gebunden. Im darauffolgenden Jahr führten zudem partielle Materialknappheiten und Preisexplosionen zu Produktionsausfällen.
Steigerung der Sanierungsrate unabdingbar
Angesichts der schwachen realen Investitionstätigkeit der letzten Jahre ist die Herausforderung gewaltig. Eine Vervielfachung der Aktivitäten zur energetischen Gebäudesanierung erscheint unabdingbar. So wird als Zielmarke eine Steigerung der Sanierungsrate von durchschnittlich rund einem Prozent im letzten Jahrzehnt auf künftig vier Prozent als notwendig erachtet. Dies entspräche einer Vervierfachung der realen Investitionen.
Die Gesamtlage der Bauwirtschaft ist indes derzeit schwierig. Die Investoren leiden unter steigenden Baukosten und insbesondere explodierenden Finanzierungsaufwendungen. Die spezifische Ausgangslage für eine Steigerung der Investitionen in die Verbesserung der Energieeffizienz der Bestandsgebäude scheint dennoch eher günstig zu sein. Die Energiepreise liegen so hoch wie noch nie und dürften auf mittlere Frist weiter hoch bleiben. Das motiviert gerade auch private Bauherren in die energetische Gebäudesanierung zu investieren.
Der Neubau von Wohnungen und Nichtwohngebäuden ist rückläufig und dürfte so schnell nicht wieder das Niveau von Anfang der 2020er Jahre erreichen. An dieser Stelle freiwerdende Kapazitäten könnten vermehrt für die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden genutzt werden.
Förderungen dürfen nicht verpuffen
Parallel dazu hat die Bundesregierung eine starke Aufstockung der Fördermittel für die energetische Gebäudesanierung beschlossen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sieht dafür allein im Wohnungssektor den Einsatz von jährlichen Fördermitteln in Höhe von rund 13 Milliarden Euro vor.
Das wären mehr als dreimal so viel wie im Durchschnitt der letzten zwölf Jahre. Soll allerdings verhindert werden, dass die zusätzliche Förderung in Preiseffekten verpufft, ist ein koordinierter Ausbau der Produktions- und Installationskapazitäten erforderlich.
Im Sinne einer konzertierten Aktion wäre eine Abstimmung zwischen Produzenten der Vorleistungsgütern wie Dämmungen oder Fenster, den bauausführenden Firmen und den öffentlichen und privaten Investoren anzustreben. Hier wäre sicherlich auch eine Koordinierung mit den Aktivitäten Frankreichs im Rahmen ihrer „ökologischen Wirtschaftsplanung“ anzustreben.
Literatur
Jürgen Blazejczak, Dietmar Edler und Hans-Peter Schill (2014): Steigerung der Energieeffizienz: ein Muss für die Energiewende, ein Wachstumsimpuls für die Wirtschaft, DIW Wochenbericht Nr. 4, 47-60.
Holger Cischinsky und Nikolaus Diefenbach (2018): Datenerhebung Wohngebäudebestand 2016. Forschungsbericht, Institut Wohnen und Umwelt; Darmstadt; Michael Hörner, Markus Rodenfels und Holger Cischinsky (2021): Der Bestand der Nichtwohngebäude in Deutschland ist vermessen. Projektinformationen, Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt.
Puja Singhal und Jan Stede (2019): Wärmemonitor 2018: Steigender Heizenergiebedarf, Sanierungsrate sollte höher sein. DIW Wochenbericht Nr. 36, 519-628.
Martin Gornig, Laura Pagenhardt (2023): Bauboom geht zu Ende – politischer Strategiewechsel erforderlich. DIW Wochenbericht, Nr. 1-2, 3-14.
Sophie M. Behr, Merve Kücük und Karsten Neuhoff (2023): Energetische Modernisierung von Gebäuden sollte durch Mindeststandards und verbindliche Sanierungszielebeschleunigt werden. DIW aktuell, Nr. 87.
Martin Gornig, Claus Michelsen (2022): Wohnungsbaupolitik auf dem Drahtseil. MAKRONOM, 17. November (online verfügbar).
Bundesregierung (2022): Förderprogramm hilft bei der energetischen Sanierung. Gebäudeförderung für Sanierungen. Pressekonferenz.
Handelsblatt, 25.09.2023: Frankreich: Wie Macron den Klimaschutz als Wachstumschance nutzen will.
Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:
Grüne Konjunkturpolitik als Mittel der Transformation? von Prof. Dr. Erik Gawel, UFZ und Kollegen
Energieeffizienz: 100.000 Sozial-Immobilien sanieren von Prof. Dr. Bernd Halfar und Prof. Dr. Jürgen Zerth, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
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