Auf dem Weg zur innovationsfähigen Wirtschaftsförderung 20.40
Die kommunale Wirtschaftsförderung als klassische Querschnittsaufgabe der Städte ist – wie die Kommunen als Ganzes – wachsenden Transformationsanforderungen ausgesetzt. Dies schließt auch die Umstrukturierungsnotwendigkeiten bestehender Verwaltungsstrukturen und Arbeitsprozesse ein.
Mit ihrem spezifischen Aufgabenfokus wird es für die kommunalen Wirtschaftsförderungen immer dringlicher, sich proaktiv mit Zukunftsthemen auseinanderzusetzen, bei denen unmittelbare Betroffenheit möglicherweise (noch) nicht immer offenkundig sein mögen.
„Innnovationsfähigkeit“ wird dabei zum Schlüsselwort und umfasst dabei nicht nur Inhalte und Zukunftsthemen, sondern eben auch die Organisation einschließlich der Rolle und Funktion der Wirtschaftsförderung innerhalb der jeweiligen Stadt und Region sowie der von ihr genutzten Instrumente.
Vier zentrale Leitplanken
Die Corona-Krise hat – wie in einer verdichteten Momentaufnahme – die Zerbrechlichkeit des (globalen) Wirtschaftssystems und die Schwachstellen gesellschaftlicher Strukturen aufgedeckt. Um dieses gewinnorientierte und fragile System zu stärken reichen nationale Konjunkturprogramme und Zentralbank-Interventionen alleine nicht aus.
Vielmehr gilt es, bottum-up regionale Wirtschaftskreisläufe und damit die lokale Resilienz zu stärken. Diese Fähigkeit, mit Schocks umgehen zu können, gründet in einer systemischen Vielfalt der ökonomischen, ökologischen und sozialen Systeme. Nicht umsonst steht derzeit allenthalben die Forderung im Raum, die Corona-Krise gezielt zu nutzen, um Investitionen in saubere Energie, klimafreundlichen Verkehr, Gesundheit, Naturschutz, moderne Städte und Bildung zu forcieren.
Auch Unternehmen fordern Planungs- und Investitionssicherheit für ihre klimafreundlichen Geschäftsmodelle.
Nicht umsonst gewinnt die Debatte über eine wachstumsunabhängigere Wirtschaftsentwicklung an Bedeutung. Auf dem Weg zu einer innovationsstarken Wirtschaftsförderung 20.40 sind deshalb vier Leitplanken zentral:
- die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Agenda 2030 der Vereinten Nationen – runtergebrochen für die deutschen Kommunen im „Monitor Nachhaltige Kommunen“
- eine sowohl regional als auch global nachhaltige und krisenfeste Wertschöpfung
- Formen der lokalen bzw. quartiersbezogenen Gemeinwohlökonomie zum Abbau sozialer Ungleichheiten
- Ansätze einer energieeffizienten und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft als Teil suffizienter Stadtentwicklung.
Auch eine Frage der Haltung
Die Vision einer Wirtschaftsförderung als „Zukunftsgestalter“ ist dabei also eine grundsätzliche Haltungsfrage, für die es normativ zu klären gilt, welche Formen des Wirtschaftens für die Zukunft der Stadt wichtig sind. Dafür braucht es Mut, auch Wertefragen „auf die Bühne zu heben“ und den Diskurs zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft vor Ort zu stärken.
Dazu sollte die Auseinandersetzung mit Gesellschafter*innen und politischen Entscheidungsträger*innen nicht gescheut und die langfristigen Mehrwerte von systemischen Betrachtungen einer nachhaltigen Stadt- und Wirtschaftsentwicklung aufgezeigt werden.
Für eine zukunftsgestaltende Wirtschaftsförderung gilt es deshalb, eine „Gestaltung mit Haltung“ zu finden und intern sowie extern einzunehmen.
Mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und dem Anspruch, gesamtstädtische Projekte zu initiieren, bedeutet das für die kommunale Wirtschaftsförderung, sich noch stärker als Netzwerkakteur nachhaltiger Stadtentwicklung aufzustellen.
Mit den steigenden Anforderungen an Unternehmen flexibel auf Veränderungen reagieren zu können, wachsen auch die Erwartungen von Unternehmen an die kommunale Wirtschaftsförderung, agil und schnell zu reagieren. Die dafür erforderlichen Strukturen sowie eine entsprechende Experimentier- und Fehlerkultur sind häufig (noch) nicht vorhanden.
In einem Teil der Wirtschaftsförderungen werden bereits heute agile Arbeitsformen, beispielsweise durch selbststeuernde Teams, mit Erfolg erprobt. Auch die Zusammenarbeit in interdisziplinären Projektteams und unter periodischer Einbeziehung von Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft ist eine Möglichkeit, ressortübergreifende Aufgaben gemeinsam in sogenannten Change-Werkstätten zu bewältigen.
Organisationsformen prägend
Die Organisationsform der kommunalen Wirtschaftsförderung – Verwaltungseinheit oder Gesellschaft – prägt häufig auch die Struktur der Institution. Gesellschaften sind in der Regel von der Finanzierung durch die Gesellschafter*innen abhängig und bewegen sich damit in einem Spannungsfeld aus spezifischen Interessen verschiedener Zielgruppen.
So wird aktuell auch kritisch hinterfragt, ob die bestehenden Anteilseigner*innen die richtigen Akteure für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben sind oder ob andere/neue Stakeholder besser dazu beitragen können.
Unabhängig von der Organisationsform sollte kommunale Wirtschaftsförderung – aufgrund ihrer fiskalischen Stabilisierungsfunktion – als strategisches Investment für eine positive und zukunftsfähige Stadtentwicklung genutzt werden. Dazu braucht es eine angemessene und verlässliche Ressourcenausstattung.
Für die Organisationsstruktur einer Wirtschaftsförderung der Zukunft scheint ein Kernteam mit Verantwortung für zentrale Handlungsfelder (Bestandspflege, Gründungs- und Ansiedlungsförderung, Netzwerke und Cluster) weiterhin zielführend. Allerdings sollten die Tätigkeiten qualitativ noch stärker an Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ausgerichtet werden.
Für den Organisationsaufbau können flache Hierarchien (im Idealfall: Geschäftsführung und themenbezogene Teams) das prozessorientierte und agile Arbeiten unterstützen. Flexible Handlungsspielräume können durch ggf. ergänzende fach- und bereichsübergreifende ad-hoc-Teams für projektbezogene Aufgaben geschaffen werden, die auch durch bottom-up-Initiativen der Mitarbeitenden initiiert werden können.
Wissens- und Innovationsmanagement erforderlich
Die Gestaltung von internen und externen Arbeitsprozessen der kommunalen Wirtschaftsförderung erfordert mit der Digitalisierung und der hohen Bedeutung von Wissen den Aufbau eines professionellen Wissens- und Innovationsmanagements.
Um zukünftige Entwicklungen im Blick zu behalten, bedarf es beispielsweise einer optimierten und konsequenten Erfassung und Analyse von Trenddaten, der Veranstaltung von Ideentagen und Kreativworkshops oder ähnliches, und der Fähigkeit, notwendiges externes Wissen – gemäß des Open-Innovation-Ansatzes – punktuell immer wieder „ins Haus zu holen“.
Zentrale Voraussetzung ist eine zielgerichtete und umfassende Digitalisierung der Serviceleistungen der Wirtschaftsförderung.
Diese schließt Angebote und die Nutzung digitaler Plattformen (für interne und externe Anwendungen) sowie die Einführung der E-Akte mit ein. Eine innovative Wirtschaftsförderung muss Vorreiter beim Thema Digitalisierung sein.
Mit Hilfe von digitalisierten Prozessen und Anwendungen können durch oder im Auftrag der Wirtschaftsförderungen Nachhaltigkeitsangebote entwickelt werden, die auch für Unternehmen nutzbar sind (Solarkataster, Fuhrpark-Sharing, CO2-Bilanzierung für ortsansässige Unternehmen oder auch Crowdfunding von Unternehmen).
Das Produktportfolio der kommunalen Wirtschaftsförderung der Zukunft muss, um den Anforderungen an eine moderne Serviceeinrichtung gerecht zu werden, vollständig digitalisiert sein. Dazu zählt auch der Einsatz künstlicher Intelligenz, die eine 24-Stunden-Erreichbarkeit für die verschiedenen Kundengruppen der Wirtschaftsförderung sicherstellen kann.
Um den Erfolg der eigenen Arbeit zu prüfen, ist in periodischen Abständen eine Supervision der gesamten Arbeit im Sinne eines Ziel-Struktur-Prozess-Abgleichs hilfreich. Darüber hinaus können Wirtschaftsförderungen hinsichtlich der Nachhaltigkeit und Transparenz ihrer eigenen Arbeit als Trendsetter vorangehen und ein Audit der eigenen Struktur und Prozesse gemäß Nachhaltigkeitskodex (DNK) durchführen.
Auch eine Zertifizierung nach der Gemeinwohlökonomiematrix kann Wirkungen der eigenen Prozesse sichtbar und messbar machen und gleichzeitig die Beratungskompetenzen in diesem Bereich erhöhen.
Strategische Anpassungen und Entwicklung von neuen Instrumenten
Für die Wirtschaftsförderung 20.40 sind deshalb einerseits strategische Anpassungen des bisherigen Portfolios unter Nachhaltigkeitsaspekten erforderlich, beispielsweise für den Ankauf, die Entwicklung, Vermarktung und das Monitoring von Wirtschaftsflächen oder für ein nachhaltiges Gewerbegebietsmanagement (einschließlich eines Leerstands-, Brach- und Dachflächenkatasters).
Andererseits müssen neue Instrumente entwickelt werden, um verschiedene Stakeholder zu erreichen und insbesondere der Vernetzungsfunktion gerecht zu werden. Wirtschaftsförderungen können beispielsweise Miteigentümer von Innovations- und Nachhaltigkeitshub(s) zur Gründung und Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft und Start-ups werden (Beispiel: „XR HUB Nürnberg“).
Gründungs- und Innovationsökosystem wichtiger Motor
Ein dynamisches Gründungs- und Innovationsökosystem ist ein wichtiger Motor und Treiber der Wirtschafts- und Standortentwicklung.
Das Aufgabenfeld der Gründungsförderung in der kommunalen Wirtschaftsförderung kann durch die gezielte Unterstützung von Gründungen, wie beispielsweise zur lokalen bzw. regionalen Produktion, der Etablierung nachhaltiger Geschäftsmodelle im Sinne der green economy oder von social entrepreneurship etc., einen Mehrwert für die Stadtentwicklung generieren.
Ein stabiles und dynamisches Akteursnetzwerk vor Ort ersetzt jedoch nicht den überregionalen und internationalen Austausch zwischen Wirtschaftsförderungen.
Dazu zählen auch internationale Innovationspartnerschaften, z. B. unterstützt durch europäische Programme, wie iCapital oder Horizon 2020 bzw. Horizon Europe.
Wirtschaftsförderung als „Sustainable Innovation Office“
Um Unternehmen bei ihrer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie zu unterstützen und nachhaltig ausgerichtete Ökonomien zu fördern, muss Wirtschaftsförderung im Sinne eines „Sustainable Innovation Office“ aktiv werden.
In diesem Rahmen können nicht nur Nachhaltigkeitsangebote für Bestandsunternehmen, Existenzgründungen, ansiedlungswillige Unternehmen und bestehende Netzwerke bereitgestellt werden, sondern auch gezielt Ansätze der Kreislaufwirtschaft oder Social-Innovation-Strategien gestärkt und miteinander vernetzt werden.
Ob es gelingt, die gegenwärtige Krise als Chance zu nutzen, wird erst im Rückblick aus dem Jahr 2040 zu beurteilen sein.
Eines ist allerdings klar: Für einen gesellschaftlichen „Reboot“ insgesamt und die kommunalen Wirtschaftsförderungen als einem wichtigen Player im kommunalen Kontext ist es notwendig, systemische Zusammenhänge zwischen globaler und lokaler Ebene in den Blick zu nehmen.
Nur so lässt sich Klarheit darüber gewinnen, welche Bereiche thematisch, institutionell und personell so neu ausgerichtet werden müssen, das Wirtschaft als sozial und ökologisch inklusive Wohlstandsicherung gestaltet werden kann.
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