Umkämpfte Klimapolitik: Wie aus Zustimmung Widerstand wurde
Im Wahlkampf 2025 ist unverkennbar geworden: Die gesellschaftliche Stimmung hat sich verschoben. Klimapolitik, 2021 noch zentrales Thema, wird zunehmend an den Rand gedrängt – nicht nur ignoriert, sondern aktiv bekämpft. Migration, Lebenshaltungskosten, Verteidigung und Deindustrialisierungsängste dominieren die öffentliche Debatte. Wie ist dieser Wandel zu erklären? Und wie lässt sich darauf reagieren?
Eine verbreitete Erklärung lautet, dass Klimapolitik ein „Elitenprojekt“ sei. Abgehobene, für die „soziale Frage“ unsensible Politiker:innen und Expert:innen folgten einer dogmatischen „moralischen Ökologie“, aus der heraus sie den weniger Wohlhabenden übermäßige Lasten aufbürden wollten.
Unsere Forschung, die wir mit Kolleg:innen im Buch Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt vorgestellt haben, zeigt, dass diese Lesart zu kurz greift. Die Abwehr gegen klimaschutzbedingte Veränderungen wächst seit dem Ende der Merkel-Ära zwar auch bei den sozial am stärksten Benachteiligten – noch stärker aber bei denjenigen, die materiell am meisten zu verteidigen haben: in der wohlhabenden Mitte der Gesellschaft.
Eine konfliktive Dreiecksbeziehung
Unsere Befunde zeigen, wie sich die Bevölkerung, grob korrespondierend mit Unterschieden sozialstruktureller Lagen, in unterschiedliche Fraktionen aufteilt. Diese positionen sich im Konflikt um das Für, Wider, Was und Wie von sozial-ökologischer Transformation unterschiedlich. Das Bild, das wir auf Grundlage einer repräsentativen Befragung von Ende 2021 gewonnen haben, ist weder eines von Polarisierung noch von Konsens, sondern das einer Dreiecksbeziehung zwischen drei Mentalitätsspektren:
Das ökosoziale Spektrum befürwortet tiefgreifenden, transformativen Wandel. Es ist überwiegend in bildungsnahen Milieus verortet.
Das defensiv-reaktive Spektrum fühlt sich von Veränderungen überfordert und ist offen für autoritäre Angebote. Es ist in prekären Lagen besonders stark.
Die Mentalitäten des konservativ-steigerungsorientierten Spektrums –zahlenmäßig mit rund 35 bis 40 Prozent am verbreitetsten – kommen besonders häufig in der konsum- und wachstumsorientierten gesellschaftlichen Mitte. Sie hat über Jahre vom „grünen Wachstumsversprechen“ profitiert, das Klimaschutz mit Wohlstandssicherung zu verbinden versprach.
Das Kontinuitätsversprechen
Die von Bildern einer Polarisierung oft verdeckte Rolle des letzteren Spektrums ist zentral, um die aktuelle Blockade zu verstehen. Lange hielt hier die Balance zwischen Zustimmung zu Klimapolitik einerseits und dem Wunsch, die eigene Lebensweise nicht ändern zu müssen, andererseits.
Diese Mitte bildet produktiv wie konsumtiv das Zentrum des deutschen Wachstumsmodells. Der Deal, den die Politik ihr angeboten und lange eingehalten hatte: „Wir reden viel von Klima und Transformation, modernisieren, liberalisieren und ökologisieren das Land behutsam – aber so, dass ihr ungestört so weiter leben und euren materiellen Wohlstand genießen könnt wie bisher. Für euch ändert sich nichts.“
Dementsprechend gaben die so Angesprochenen in Umfragen stets eine hohe abstrakte Zustimmung zu klimapolitischen Forderungen zu Protokoll, hegten aber zugleich – weniger offensichtlich –auch die Erwartung, dass dass das für die eigene „Freiheit“ zu Besitz und Konsum keine Konsequenzen haben dürfe.
Mit dem spürbaren Scheitern des Wachstumsversprechens, einer wachsenden Zahl sichtbarer Zumutungen (z. B. Heizungsgesetz, Tempolimitdebatten) und eskalierender sozial-ökologischer Krisenerscheinungen kippte die Stimmung: Aus Zustimmung wurde Widerstand. Die Wohlstandsmittelschicht forderte den versprochenen Bestandsschutz für den eigenen Besitz ein, die frühere Balance löste sich auf Kosten des Klimaschutzes auf.
Der neue Verteidigungskonsens
Im Wahlkampf 2025 griffen vor allem CDU und FDP diesen Stimmungswandel auf und machten mit ihrer klimapolitischen Rhetorik teils der AfD Konkurrenz. Der politische Grundkonsens hat sich sichtbar verschoben: Nicht mehr die Transformation steht im Mittelpunkt, sondern die Verteidigung der bestehenden Lebensweise – über politische Lager hinweg.
Diese politische Verschiebung spiegelt das Geschehen auf der Ebene der Mentalitäten: Während das ökosoziale Spektrum zerbröckelt und an den Rand gedrängt wird, bildet sich ein veränderungsaverser Konsens, indem die Grenzen zwischen defensiv-reaktiven und konservativ-steigerungsorientierten Mentalitäten zunehmend verwischen.
Entscheidend hierfür ist die Besitzstandswahrungs- und Verweigerungshaltung der Mitte. Eben diese ist oft das eigentliche Motiv, wenn rhetorisch auf mangelnde soziale Gerechtigkeit von Klimamaßnahmen verwiesen wird, um diese zu delegitimieren.
Aus der Versprechenssackgasse
Klimapolitik wurde lange als technokratisches Projekt verkauft: effizient, modern, ohne tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen umsetzbar. Dieses Narrativ ist gescheitert – und mit ihm die Vorstellung, Nachhaltigkeit sei möglich, ohne das hierzulande bestimmende Wohlstandsmodell infrage zu stellen.
Statt immer neuer unglaubwürdiger Wachstumsversprechen braucht es eine ehrliche Politik, die anerkennt: Die Lebensweisen wohlhabender Bevölkerungsteile sind mit Klimaneutralität nicht vereinbar. Das aber soll und darf eben kein Verzichtsdiskurs sein. Klimapolitik kann und muss eine sozial gerechte Verbesserung der Lebensqualität bedeuten – insbesondere für jene, die bisher zu wenig profitieren.
Klimapolitik als Infrastrukturpolitik
Ein zentraler Hebel liegt in einer klimabezogenen Sozialpolitik, die auf öffentliche Infrastrukturen setzt: funktionierender öffentlicher Nahverkehr, bezahlbarer energetisch sanierter Wohnraum, verlässliche Grundversorgung. Eine solche Politik erhöht Teilhabe, reduziert Ungleichheit und senkt den Ressourcenverbrauch – weil Bedürfnisdeckung über öffentliche Güter weniger klimaschädlich ist als über privaten Konsum.
Der Expert:innenrat für Klimafragen hob jüngst genau diesen Punkt hervor: Statt Subventionen für Eigenheime und E-Autos, die vor allem Wohlhabende erreichen, braucht es Investitionen in Gemeingüter. Das versprochene, aber ausgebliebene Klimageld für Geringverdienende ist hier ein zentrales Versäumnis.
Investitionen in diese Richtung sind möglich – trotz Schuldenbremse. Für die kommenden Jahre sind 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaneutralität eingeplant. Entscheidend wird sein, wie diese Mittel eingesetzt werden: Als Bausteine einer gerechten sozial-ökologischen Infrastruktur – oder als „grüne Wachstumsimpulse“ oder gar als verdeckte Militärausgaben?
Von privat zu öffentlich – für mehr Gerechtigkeit und Akzeptanz
Privates Eigentum, das zeigen unsere Befunde, ist Teil des Problems der Nichtnachhaltigkeit der gegebenen gesellschaftlichen Strukturen. Umverteilung von oben nach unten, aber auch von privat zu öffentlich ist nicht nur aus Finanzierungsgründen unerlässlich – sondern auch, weil geringere Ungleichheit die Zustimmung zu Veränderung erhöht.
Jenseits kreditfinanzierter Investitionen darf deshalb auch das In-Verantwortung-Nehmen wohlhabender Haushalte durch eine Vermögensabgabe nach Art. 106 GG kein Tabu sein. Sie kann nicht nur die in einer reichen Gesellschaft vorhandenen Mittel dorthin lenken, wo sie dringend gebraucht werden, sondern auch entscheidend zu dem Ausgleich sozialer Ungleichheiten beitragen, ohne den erfolgreiche Übergänge zu nachhaltigen und für alle zugänglichen Lebensweisen nicht denkbar sind.
Transformation statt Verteidigung
Die Einsicht, dass Nachhaltigkeitsziele nicht anders als über Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums – von oben nach unten, aber auch von privat zu öffentlich – zu erreichen sind, macht einen solchen Ansatz zur direkten Antithese des neuen Verteidigungskonsenses. Konsequent ausformuliert darf eine solche Politik mit heftigem Gegenwind rechnen – aber utopisch ist nicht sie, sondern die Vorstellung, das Wachstum werde es schon wieder richten.
Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:
Wie sich der Wert eines Parks monetär ausdrücken lässt von Christian Krekel, London School of Economics and Political Science
Deutsche Unternehmen in der Transformation: Betroffenheit von Megatrends und Wege in die Zukunft von Dr. Vera Demary, IW
ecoworks: „Es fehlt an der Disziplin, die langfristigen Themen zu verhandeln“ mit Emanuel Heisenberg, ecoworks


Kommentar verfassen