Wasser

Grundwasser: Maßnahmen für eine nachhaltige Nutzung der umkämpften Ressource

Dr. Fanny Frick-TrzebitzkyInstitut für sozial-ökologische Forschung (ISOE)
Linda SöllerGoethe-Universität Frankfurt am Main

Wie können Behörden und Wasserversorger nachhaltige Maßnahmen für den Schutz und die Nutzung von Grundwasser entwickeln, wenn viele Rahmenbedingungen unsicher sind? Diese Frage ist angesichts des Klimawandels, wachsender Nutzungsansprüche und der zunehmenden Sensibilität für Umweltprobleme zentral.

Grundwasser ist eine lebenswichtige Ressource, doch ihre Verfügbarkeit und Qualität ist in vielerlei Hinsicht ungewiss. Der Weg zu einem nachhaltigen Management erfordert daher Kreativität, Zusammenarbeit und die Bereitschaft, Unsicherheiten anzunehmen und mit ihnen umzugehen.

Unsicherheiten im Grundwassermanagement

Eines der größten Hindernisse für einen nachhaltigen Umgang mit Grundwasser ist die bestehende Unsicherheit: Der aktuelle Zustand des Grundwassers lässt sich nicht immer eindeutig bewerten, da Messnetze nur punktuelle Informationen über die qualitative und quantitative Beschaffenheit liefern.

Zudem sind die durch menschliche Aktivitäten verursachten Verunreinigungen oft nur unzureichend erforscht. Beispielsweise sind in vielen Regionen die Eintrittspfade und der Zeitpunkt von Nitrateinträgen oder Pestizidbelastungen noch nicht vollständig geklärt.

Diese Unsicherheiten im gegenwärtigen Zustand verstärken sich, wenn es darum geht, den zukünftigen Zustand des Grundwassers einzuschätzen. Je nach Ausmaß des Klimawandels und der Intensität der Grundwassernutzung könnten die Entwicklungen stark variieren – von drastischen Rückgängen der Grundwasserneubildung bis hin zu einem möglichen Anstieg, welche ebenso nicht absehbare Auswirkungen auf Grundwasserökosysteme und Trinkwasserqualität mit sich bringen.

Die Dringlichkeit nachhaltiger Lösungen

Auch wenn viele Fragen unbeantwortet bleiben, erfordert die Realität entschlossenes Handeln. Die Folgen von „business as usual“ sind bereits deutlich spürbar. Die zunehmenden Konflikte während Dürreperioden in Deutschland, Europa und weltweit verdeutlichen die Notwendigkeit eines effektiven Grundwassermanagements.

Vielerorts in Deutschland führte Wasserknappheit während der Dürrejahre 2018-2020 zu Konflikten zwischen Kommunen, Behörden, Landwirtschaft und Industrie, häufig im Umland größerer Städte. Im Harz setzt der das Waldsterben die Betreiber der beiden Fernwasserversorgungssysteme Westharz und Elbaue-Ostharz zusätzlich unter Druck. Eine vergleichbare Herausforderung zeigt sich auch auf der kroatischen Insel Krk, wo die Nachfrage nach Wasser in der Tourismussaison den Druck auf lokale Wasserressourcen enorm erhöht.

Prinzipien für nachhaltiges Grundwassermanagement

Nachhaltiges Grundwassermanagement unter unsicheren Bedingungen erfordert klare Leitlinien. Vier Prinzipien können helfen, den Herausforderungen zu begegnen: Teilhabe, Vorsorge, Angemessenheit und Anpassung.

1. Teilhabe: Akteure einbinden

Ein erfolgreiches Grundwassermanagement hängt von der Zusammenarbeit verschiedener Akteure ab – von Behörden und Landwirt:innen über Wissenschaftler:innen bis hin zu Bürger:innen. Ihre Perspektiven, Bedürfnisse und Wissen sollten in die Entscheidungsprozesse einfließen. Nur so lassen sich Konflikte vermeiden und gemeinsam tragfähige Lösungen entwickeln.

Die Erfahrungen aus unserer Forschung in der Nachwuchsgruppe regulate mit ebendiesen Akteuren in Mansfeld-Südharz und auf Krk können als Beispiel dienen, wie Zusammenarbeit von verschiedenen Akteursgruppen Wege zu einem nachhaltigen Grundwassermanagement aufzeigen kann.

2. Vorsorge: Risiken minimieren

Das Vorsorgeprinzip zielt darauf ab, Risiken für Mensch und Natur frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken, auch wenn deren negative Auswirkungen noch nicht vollständig bekannt sind. Es gilt Maßnahmen zu entwickeln, die gezielt auf mögliche Szenarien und die damit verbundenen Risiken in der Zukunft abgestimmt sind.

Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Szenarios ungewiss ist, erfordert das Vorsorgeprinzip ein proaktives Handeln. Im Grundwassermanagement bedeutet dies zum Beispiel, Wasserschutzgebiete einzurichten, um langfristig Verschmutzungen zu vermeiden – auch wenn die genauen Auswirkungen bestimmter Schadstoffe auf Menschen und Ökosysteme noch nicht abschließend erforscht sind.

3. Angemessenheit: Lösungen mit Maß

Maßnahmen sollten den lokalen Bedingungen und Möglichkeiten angepasst sein. Statt „One-size-fits-all“-Ansätzen sind flexible Strategien gefragt, die sowohl ökologische als auch ökonomische Realitäten berücksichtigen.

Zum Beispiel können im Umgang mit der Nitratproblematik regional unterschiedliche Lösungswege beschritten werden:  Die Reduktion landwirtschaftlicher Düngemittel in einer Region kann sich als ökonomisch und sozial effektiver darstellen, während in einer anderen Region der Fokus auf technischen Wasseraufbereitungsmaßnahmen liegen sollte, also auf die nachträgliche Eliminierung schädlicher Substanzen.

4. Anpassung: Lernen und flexibel bleiben

Das Prinzip der Anpassung, oft als „adaptive governance“ oder „adaptives Management“ bezeichnet, betont die Notwendigkeit, Maßnahmen kontinuierlich auf Basis neuer Erkenntnisse anzupassen. Im Kontext des Grundwassers kann dies bedeuten, Monitoring-Systeme auszubauen und Maßnahmen bei Bedarf zu überarbeiten.

Anpassung erfordert oft einen kreativen Umgang mit Infrastrukturen, Normen und Regelwerken. So wurden in Sangerhausen verschiedene Methoden des Filterns geprüft um mit Schadstoffen im Wasser umzugehen, Schwellen- und Grenzwerte überprüft und angepasst, und regionale Versorgungsnetze eingebunden.

Praktische Maßnahmen im Grundwassermanagement

Diese Prinzipien lassen sich in konkrete Maßnahmen übersetzen, die trotz Unsicherheiten wirksam sind. Die folgenden Maßnahmen wurden von den Forscher:innen und Praxispartner:innen in regulate gemeinsam definiert:

Schutzgebiete ausweisen: Diese verhindern, dass Schadstoffe wie Nitrate oder Pestizide ins Grundwasser gelangen. Eine Einrichtung von Grundwasserschutzgebieten unabhängig von ihrer Nutzung zur Trinkwassergewinnung ist eine Vorsorgemaßnahme mit langfristiger Wirkung.

Förderung alternativer Wasserressourcen: Ein Beispiel könnte hier die Tourismusregion Krk sein, wo alternative Wasserquellen untersucht wurden, um Spitzenbedarfe während der Saison zu decken. Dazu zählen beispielsweise das Sammeln und Nutzen von Regenwasser für Bewässerung und Toilettenspülung in Hotelanlagen oder das Füllen von Swimmingpools mit Meerwasser.

Monitoring ausbauen: Die Installation zusätzlicher Messstellen liefert flächendeckend Daten zu Grundwasserständen und -qualität. Wenn bestehende Daten in einem zentralen Datenportal gesammelt werden, bieten diese eine gute Grundlage für flexiblere und präzisere Entscheidungen.

Gemeinsam den Umgang mit Unsicherheiten meistern

Nachhaltiges Grundwassermanagement ist machbar – aber nur durch Zusammenarbeit. Die Herausforderungen sind zu komplex, um sie mit fachlicher Expertise und technischer Innovation allein zu bewältigen.

Wissensaustausch, Kooperation und der Umgang mit unterschiedlichen Perspektiven sind entscheidend. Mit der nationalen Wasserstrategie liegt derzeit auf Bundesebene ein Handlungsrahmen vor, mit dem Wissensintegration in die Breite behördlicher Praxis gebracht werden kann. Hier könnten die transdisziplinären Ansätze aus unserer Forschung in regulate als Beispiel dienen, um zu zeigen, wie effektive Wissensintegration in der Praxis funktionieren kann.

Literatur

Frick-Trzebitzky, Fanny/ Alba, Rossella/Fehrs, Kristiane (2023): Adaptive governance as bricolage, Geogr. Helv., 78, 397–409

Söller, Linda/Dženeta Hodžic/Robert Luetkemeier (2024): Water Futures on Krk Island. Guiding Principles for achieving a Sustainable Water-Tourism-Nexus. DOI 10.5281/zenodo.10907295 Groundwater Dimensions, 1. Frankfurt am Main: ISOE – Institute for Social-Ecological Research

Söller, Linda/Fanny Frick-Trzebitzky/Robert Lütkemeier/David Kuhn/Anne Jäger/Jörg von Beyme/Maria Diebes/Jan Donner/Armin Hoch/Steffen Hooper/Toni Meier/Jutta Parnieske-Pasterkamp/Laura Ritter/Martin Schneppmüller/Torsten Wagner (2024): Leitbild 2040 Grundwasser – Ziele und Maßnahmen für ein nachhaltiges Grundwassermanagement im Landkreis Mansfeld-Südharz. DOI: 10.5281/zenodo.11370519. ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung. Frankfurt am Main.

Söller, L., Luetkemeier, R., Müller Schmied, H., and Döll, P. (2024). Groundwater stress in Europe—assessing uncertainties in future groundwater discharge alterations due to water abstractions and climate change. Frontiers in Water 6.

Uhl, A., Hahn, H.J., Jager, A., Luftensteiner, T., Siemensmeyer, T., Doll, P., Noack, M., Schwenk, K., Berkhoff, S., Weiler, M., Karwautz, C., Griebler, C (2022). Making waves: Pulling the plug – Climate change effects will turn gaining into losing streams with detrimental effects on groundwater quality, Water Research Volume 220.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Wassermangel und Klimakrise: integrierte Lösungen vonnöten von Prof. Dr. Dieter Gerten, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

Klimaanpassung: Sind Kommunen auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet? von Dr. Antje Otto, Institut für Umweltwissenschaften und Geographie der Universität Potsdam und Dr. Thomas Friedrich, ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung

Die Bedeutung des Waldes im Klimawandel von Nicole Wellbrock und Andreas Bolte, Thünen Institut für Waldökosysteme



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