Jugend

Jugendbeteiligung in der Transformation: Hohe Motivation, gute Prozesse, aber wenig Wirkung

Dr. David Löw-BeerForschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) – Helmholtz-Zentrum Potsdam

Im Zuge des Kohleausstiegs fließen bis 2038 erhebliche Fördergelder in die deutschen Braunkohleregionen. Diese Mittel werden genutzt, um neue Infrastrukturen, Forschungseinrichtungen und Produktionsstätten zu schaffen. Die Entscheidungen, die dafür jetzt getroffen werden, wirken sich langfristig aus. Junge Menschen sollten in diesen Prozess einbezogen werden, um die Regionen für sie jetzt und in Zukunft lebenswert zu gestalten.

Zudem bleiben junge Menschen häufiger an einem Ort, wenn sie dort beteiligt wurden und sie kehren häufiger dorthin zurück, etwa wenn sie eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben. Für Regionen, die von Abwanderung bedroht sind, ist dies besonders wichtig. Schließlich hilft die Beteiligung junger Menschen, Konflikte zwischen den Generationen zu identifizieren und gerechte Lösungen zu finden.

Kinderrechte als Grundlage für Beteiligung

Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen verbessert aber nicht nur tendenziell die Qualität von Entscheidungen. Vielmehr haben junge Menschen gemäß der UN-Kinderrechtskonvention das Recht, in „allen das Kind berührenden Angelegenheiten“ gehört zu werden. Unsere im Journal Children’s Geographies veröffentlichte Studie untersucht, inwieweit dieser Anspruch in der Lausitz, einer Braunkohleregion in Brandenburg und Sachsen, erfüllt wird.

Vielfältige Beteiligungsformate in der Lausitz

In der Lausitz hat Jugendbeteiligung in verschiedenen Formaten stattgefunden. Mithilfe von Dokumentenanalysen und 17 Interviews haben wir vier Prozesse untersucht:

#MISSION2038: Hier entwickelten Jugendliche kleine Projektideen, die sie in ihren Heimatorten umgesetzt haben und umsetzen. Häufig geht es dabei um die Schaffung von Räumen für junge Menschen, z.B. Kinoangebote im Jugendclub.

RevierUPGrade: Dieses Projekt informiert Jugendliche über den Strukturwandel und bietet Coachings für engagierte junge Menschen.

Jugendforum Nachhaltigkeit: Das Forum ist eine Lobbygruppe, die höhere Ambitionen in der Nachhaltigkeitspolitik Brandenburgs und mehr Jugendbeteiligung erreichen möchte. Es engagiert sich im Rahmen von Beteiligungsprozessen, etwa zum Klimaplan.

Planathon: Rund 40 junge Menschen entwickelten über ein Wochenende etwa 600 Projektideen, die mit den Förderkriterien des Strukturwandels umsetzbar sind. Das Projekt wurde von fünf Bundesministerien und vier Landesregierungen initiiert und begleitet. Die beim Planathon entstandenen Vorschläge ähneln vielfach den Projekten, die im Strukturwandel angedacht sind. Bei den Themen Ökologie, Digitalisierung und demokratischer Entscheidung sowie Beteiligung wünschen sich junge Menschen jedoch weitreichendere Entwürfe und mehr Einflussmöglichkeiten.

Hochwertige Ideen, die im Sande verlaufen

Am Planathon werden Stärken und Schwächen der bisherigen Beteiligungsverfahren besonders deutlich. Die Prozesse waren methodisch hervorragend umgesetzt. Politische Entscheidungsträger:innen waren von der Qualität der Ideen begeistert und auch davon, wie gut diese in den bestehenden Förderprogrammen unter Berücksichtigung der begrenzten Mittel umgesetzt werden könnten.

Kurz nach dem Planathon wurde die Förderung von Kinder- und Jugendbeteiligung mit Strukturwandelmitteln ermöglicht, was damit zusammenhängen dürfte, wie gut der Planathonprozess bei politischen Entscheidungsträger:innen angekommen ist. Der Planathon endete damit, dass die Empfehlungen der jungen Menschen öffentlichkeitswirksam den Ministerpräsidenten der betroffenen Länder überreicht wurden.

Es war allerdings kein Prozess vorgesehen, wie Politik und Verwaltung auf die Vorschläge reagieren sollten. Die Beteiligten am Planathon und anderen Beteiligungsverfahren erwarteten nicht, dass ihre Vorschläge umgesetzt würden, schon gar nicht 1:1, aber sie hatten den legitimen Anspruch, dass man ihnen zumindest erklärt, warum Ideen nicht realisiert werden. Wie auch in anderen Beteiligungsprozessen wurden die Ergebnisse der mitwirkenden jungen Menschen öffentlich gelobt, in der Entscheidungsfindung jedoch nicht berücksichtigt.

Diese Diskrepanz führt zu Enttäuschung und einer wachsenden Frustration unter engagierten Jugendlichen. Dies ist besorgniserregend, insbesondere angesichts der zunehmenden demokratiekritischen und -feindlichen Einstellungen.

Es braucht daher Klarheit über den Zweck von Beteiligung

Statt ständig neue „Pilotprojekte“ zu initiieren, sollten politisch Verantwortliche zunächst entscheiden und dann klar kommunizieren, woran sich junge Menschen beteiligen dürfen und wie die Rückmeldung zu ihren Vorschlägen aussieht. Dies ist entscheidend, um Vertrauen zu schaffen. Denn schlecht durchgeführte Beteiligungsprozesse können schädlicher sein als keine Beteiligung.

Vielversprechender Ansatz in Brandenburg

Seit 2022 gibt es in Brandenburg einen vielversprechenden neuen Ansatz. Nach Gesprächen mit Fachstellen für Kinder- und Jugendbeteiligung und Wissenschaftler:innen beschloss der Landtag, dass Kinder und Jugendliche bei der Projektentwicklung und -auswahl im Strukturwandel beteiligt werden müssen und dass passende Informations- und Bildungsmaterialien entstehen sollen. Seither wurden erste Schritte auf diesem Weg gegangen:

  • Das Kompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg (KiJuB) eröffnete eine Außenstelle in der Lausitz und hat zahlreiche Kommunen zu Kinder- und Jugendbeteiligung beraten.
  • Das KiJuB wurde stellvertretend für junge Menschen in alle Beteiligungsprozesse des Landes eingebunden.
  • Antragsstellende müssen ihre Projekte mit Kinder- und Jugendbeauftragten besprechen oder rechtfertigen, warum sie dies nicht getan haben.
  • Über einen neu geschaffenen Teilhabefonds wurden eine Reihe von Projekten gefördert, die Kindern und Jugendlichen zu Gute kommen, z.B. in Form von Jugendaustauschen, Demokratiepädagogik oder Umweltbildung. In der nächsten Runde sollen Kinder und Jugendliche auch an der Projektentwicklung selbst beteiligt werden.
  • Aktuell veranstaltet das KiJuB in zahlreichen Schulen in der Region Workshops, um über den Strukturwandel allgemein zu informieren und über lokalspezifische Projekte zu diskutieren.

Fazit: Potenzial der Jugendbeteiligung noch nicht ausgeschöpft

Die Entwicklungen in Brandenburg zeigen in die richtige Richtung, auch wenn junge Menschen sich noch nicht unmittelbar am Strukturwandel beteiligen dürfen. Der Ansatz in Brandenburg zeigt aber auch, dass selbst sehr gute Strukturen und auch eine angemessene Finanzierung der Kinder- und Jugendbeteiligung nicht ausreichen, solange Erwachsene nicht bereit sind, sich ernsthaft mit den Ideen von Kindern und Jugendlichen auseinanderzusetzen.

Die ausführlichen Ergebnisse der Studie finden Sie hier.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Der Klimaangst begegnen: Motivation für Protest und Engagement von Dr. Karen Hamann, Universität Leipzig

Eine neue Sprache finden: Warum wir anders über das Klima reden müssen von Bálint Forgács, Freie Universität Berlin

Konflikte der Transformation: Werden künftige Generationen ignoriert? von Dr. Johann Majer, Universität Hildesheim



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