Zirkuläre Lösungsansätze für zukunftsfähige Smartphones

Dr. Julia ReinhardWuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

Smartphones sind heute unverzichtbare Begleiter im Alltag und unser wichtigstes Tor zur digitalen Welt. Als multifunktionale Endgeräte sind sie zentrales Element der heutigen Informations- und Kommunikationstechnologie. Allein in Deutschland werden jährlich etwa 20 Millionen Neugeräte abgesetzt. Gleichzeitig gehen damit allerdings auch erhebliche Umweltwirkungen einher.

Bei Smartphones entstehen diese vor allem durch die Treibhausgasemissionen und den Ressourceneinsatz während der Produktionsphase. Hinzu kommen die ökologischen Effekte durch die Gewinnung und Aufbereitung vieler (kritischer) Rohstoffe und unzureichendes Recycling der verwendeten Ressourcen. 

In diesem Spannungsfeld von Nutzungswert und Umweltbelastungen stellt sich also die Frage: Wie können wir Smartphones und ihre Nutzung nachhaltiger gestalten?

Die Nutzungsdauer von Smartphones verlängern

Da der Großteil der Umweltbelastungen von Smartphones auf ihre Produktion zurückzuführen ist, liegt es nahe, dass die wichtigsten Maßnahmen auf eine möglichst lange Nutzungsdauer abzielen. Eine lange Nutzung der bereits hergestellten Geräte und verwendeten Ressourcen reduziert den Bedarf an Neuproduktionen.

Derzeit liegt die durchschnittliche Nutzungsdauer von Smartphones bei nur zwei bis drei Jahren, was vergleichsweise kurz ist. Dies liegt jedoch nicht unbedingt daran, dass Smartphones nur so eine kurze Lebensdauer haben. Häufig werden noch funktionstüchtige oder reparierbare Geräte vorzeitig ausgetauscht und landen entweder im Müll oder ungenutzt in der Schublade. In deutschen Haushalten verstauben so schätzungsweise 210 Millionen Smartphones.

Um diese ungenutzten Potenziale auszuschöpfen, zielen viele Maßnahmen und Strategien zur Verlängerung der Nutzungsdauer darauf ab, das Nutzungsverhalten der Konsument*innen zu ändern und ihr Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu fördern. Dazu gehören Informationskampagnen, die Konsument*innen für die wertvollen Rohstoffe in Smartphones sensibilisieren, zur Rückgabe ungenutzter Geräte ins Recycling anregen sowie für längere Nutzungszeiten durch Reparaturen und den Kauf von Gebrauchtgeräten werben. Auf den ersten Blick scheint die zentrale Lösung also in einer Veränderung seitens der Konsument*innen zu liegen. Ganz so einfach ist es aber nicht. 

i-frame“ und „s-frame“

In den letzten Jahren haben sich zahlreiche politische Maßnahmen und Interventionen zur Bekämpfung gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen wie der Klimakrise auf das individuelle Verhalten konzentriert (z.B. Nudging, Labels oder Siegel). In den Verhaltenswissenschaften wird dieser Fokus auf das Individuum und dessen Denk- und Verhaltensweisen als „i-frame“ bezeichnet.  

Auch wenn eine Veränderung unseres Konsumverhaltens zur Einhaltung der planetaren Grenzen notwendig ist, greift es zu kurz, allein auf individuelles Verantwortungsbewusstsein zu setzen und gesamtgesellschaftliche Probleme als Summe individueller Verhaltensweisen zu betrachten. Denn dabei werden die Rahmenbedingungen außer Acht gelassen, die unser individuelles Verhalten wesentlich beeinflussen: Das System aus Normen, Regelungen und Institutionen, das in den Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften untersucht und als „s-frame“ bezeichnet wird. 

Die Bedeutung von Strukturen lässt sich auch am Beispiel von Smartphones verdeutlichen. Der Wechsel eines Smartphones liegt in den wenigsten Fällen einfach am Wunsch nach etwas Neuem oder an ästhetischen Beweggründen. Als Hauptgrund für den Wechsel ihres Smartphones nennen Konsument*innen am häufigsten einen Defekt oder eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit, sowie Upgrades durch Anbieter oder Arbeitgeber und erst danach subjektive Gründe wie veraltete Technologie oder Kameraauflösung. Hinzu kommt, dass Reparaturen oft teurer sind und komplizierter wahrgenommen werden als der Kauf von Neuware.

Die Gründe für das Nutzungsende von noch funktionsfähigen oder reparierbaren Smartphones werden also maßgeblich von Produktdesign, Marketing und Marktpreisen beeinflusst. Wenn Nutzende ihr Smartphone vorzeitig ersetzen, weil sie einen neues geschenkt bekommen oder vergünstigt erhalten oder weil Reparaturen teurer und aufwändiger sind als ein Neukauf, liegen Verantwortung und Möglichkeiten für eine Verlängerung der Nutzungsdauer nicht (allein) bei ihnen, sondern in den Herstellungs- und Marktstrukturen.

Strategien zur Verlängerung der Nutzungsdauer müssen also sowohl bei den Nutzenden als auch im gesamten Smartphone-System, einschließlich Herstellern, Dienstleistern und weiteren Markt- und Politikakteur*innen ansetzen. 

Handlungsempfehlungen entlang des Lebenszyklus von Smartphones

Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise, die sowohl die individuelle (i-frame) als auch systemische (s-frame) Perspektive integriert, hat das Wuppertal Institut in einem Diskussionspapier Lösungsansätze zur ressourcenschonenden und zukunftsfähigen Gestaltung und Nutzung von Smartphones entlang des gesamten Lebenszyklus zusammengetragen und Handlungsoptionen für die beteiligten Akteursgruppen identifiziert.

Dabei wurde deutlich, dass alle Beteiligten im Smartphone-System schon heute mit ihren Handlungsmöglichkeiten zum Wandel beitragen können und eine Neuausrichtung im Umgang mit Smartphones, weg vom Verkauf von Neuware hin zur verlängerten Nutzungsdauer der Geräte und Ressourcen, notwendig ist. 

Auf individueller Ebene erfordert dies eine Veränderung in unserer Wahrnehmung und in unserem Konsumverhalten als Nutzende hin zu einer stärkeren Akzeptanz von gebrauchten und reparierten Geräten. Systemisch müssen die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen diese Veränderung ermöglichen und fördern.

Produktdesign anpassen: Hersteller und Softwareanbieter können ihre Produkte so gestalten, dass ihr Design, ihre Funktionalität und Lebensdauer auf Langlebigkeit und Reparierbarkeit ausgelegt sind und ein unkompliziertes Recycling am Ende des Produktlebens ermöglichen.

Reparatur erleichtern: R-Akteur*innen wie Reparaturdienste und Refurbisher können leicht zugängliche Dienstleistungen anbieten, ihre Angebote weiter professionalisieren und durch Zertifikate und Qualitätssiegel das Vertrauen in gebrauchte Geräte fördern.

Nachhaltige Angebote: Handel, Vertrieb und Telekommunikationsanbieter können nachhaltigere Angebote wie modulare Smartphones, Gebrauchtgeräte oder Mietmodelle durch Kooperationen mit R-Akteur*innen zugänglich und sichtbar machen. Sie können geordnete Rücknahmemöglichkeiten schaffen und Marketingstrategien, die ausschließlich auf Neugeräte abzielen (z.B. die Kopplung von Mobilfunkverträgen mit Mobiltelefonen und automatischen Upgrades) reduzieren.

Anreize setzen: Eine Transformation der Märkte muss in eine langfristig ausgerichtete politische Gestaltung eingebettet werden. Die Politik kann dabei Anreize für die Entwicklung und Umsetzung kreislauforientierter Designs setzen und die Rahmenbedingungen für zirkuläre Geschäftsmodelle kontinuierlich verbessern. Dazu gehören auch wirtschaftliche Anreize wie Reparaturboni oder steuerliche Anreize für gebrauchte Geräte.

Politik und Wirtschaft sind weiter gefordert

Auf EU-Ebene ist ein erster Schritt mit einer Reihe von Regeln zum Ökodesign, zur Transparenz oder Reparierbarkeit von Smartphones gemacht. Es wird sich jedoch erst mit der Zeit zeigen, ob diese fragmentierten Regulierungen in Summe die gewünschte Wirkung zeigen. Die Politik ist also weiter gefordert, langfristige Leitplanken zu setzen, um nachhaltige Produktions- und Konsumweisen zu fördern.

Zwar hat die Politik angefangen, erste Impulse zur nachhaltigen Neuausrichtung des Smartphone-Systems zu geben. Eine nachhaltigere, ressourcenschonende Nutzung von Smartphones kann letztlich aber nur durch das Zusammenspiel der einzelnen Beiträge der Akteursgruppen erreicht werden. Insbesondere die Marktakteur*innen sind nun gefragt, ihre Innovationskraft, Verantwortung und vor allem ihre Kooperationsmöglichkeiten zu nutzen, um nachhaltigen Konsum rund ums Smartphone machbar und attraktiv zu machen.

Weitere Informationen finden Sier hier.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Wie die Umgebung umweltfreundliches Verhalten mitbestimmt von Dr. Swen J. Kühne, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Seltene Erden: Warum sie für die Transformation recycelt werden sollten von Prof. Dr. Carlo Burkhardt, Hochschule Pforzheim

Kreislauffähiger Konsum: Hürden verstehen und abbauen von Dr. Kathleen Jacobs, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie



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