Wohnraum

Wohnraumsuffizienz: Schöner wohnen? Ja. Aber kleiner? Nein, danke.

Tanja KenkmannÖko-Institut

In Deutschland fehlt Wohnraum – das ist längst bekannt. In Städten wie Freiburg im Breisgau ist der Markt angespannt, die Mieten hoch, die Nachfrage ungebrochen.

Und trotzdem passiert erstaunlich wenig, wenn es um die effizientere Nutzung des bereits vorhandenen Wohnraums geht. Warum? Weil viele Beteiligte lieber im Status quo verharren – von der Politik bis zu den Eigentümer:innen. Es mangelt nicht an Ideen, sondern an Mut und Veränderungsbereitschaft.

Wohnen als Faktor für soziale Gerechtigkeit, Umwelt- und Klimaschutz

Doch während Wohnraum in vielen Städten knapp und teuer ist, steigt der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch in Deutschland weiter an. Aktuell beanspruchen wir, je nach Statistik, im Schnitt 48 Quadratmeter pro Person – Tendenz steigend.

Dieses Missverhältnis führt nicht nur zu mehr Flächenversiegelung und Energieverbrauch, sondern verschärft auch den Wohnraummangel, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen. Effizientere Wohnraumnutzung – auch Wohnraumsuffizienz genannt – ist deshalb keine Randdebatte, sondern ein zentrales Thema für zukunftsfähige Stadt-, Wohnungs- und Sozialpolitik. Doch obwohl es viele gute Ideen gibt, bleibt deren Wirkung bisher gering.

Gute Ansätze, wenig Wirkung

Einige Kommunen, zum Beispiel Freiburg, versuchen schon einiges: Beratung zum Umbau von Einfamilienhäusern, Wohnungstauschbörsen, Angebote wie „Wohnen für Hilfe“, Kampf gegen Leerstand und Zweckentfremdung von Wohnraum. Die Wirkung dieser Maßnahmen ist jedoch überschaubar, die Zahlen bleiben niedrig. Vielleicht auch deshalb machen andere Kommunen noch gar nichts.

Die Wahrheit ist: Das EINE wirksame, erfolgreiche Instrument gibt es (noch) nicht. Es braucht viele verschiedene Maßnahmen und Instrumente, wie in Freiburg, und vor allem braucht es einen langen Atem und mehr Bewusstsein in der Gesellschaft und systemische Veränderungen.

Wohnkomfort schlägt Wohnsuffizienz

Ein Grund dafür liegt in uns selbst. Viele Menschen, insbesondere Eigentümer:innen, fühlen sich in ihren großzügigen Wohnungen oder Häusern schlicht wohl. Warum sollten sie sich verkleinern – freiwillig? Die Bereitschaft, Wohnfläche abzugeben, ist zwar theoretisch da (laut Umfragen bei bis zu 20 Prozent der Älteren) – aber praktisch bleibt es bei wenigen Ausnahmen. Das ist verständlich, aber auch ein Teil des Problems.

Die Vorstellung vom „kleineren, besseren Wohnen“ trifft auf eine Gesellschaft, die jahrzehntelang auf Wachstum, Besitz und Rückzug ins Private gesetzt hat. Wohnen ist nicht nur eine Notwendigkeit, ein Stück Sicherheit, ein persönlicher Rückzugsort, sondern auch ein Statussymbol. Wer das verändern will, stößt auf Widerstand – leise, aber zäh.

Strukturprobleme statt Einzelmaßnahmen

Der Versuch, den Wohnraummangel durch Einzelprojekte zu lindern, gleicht einem Tropfen auf den heißen Stein. Was fehlt, ist eine strukturelle Debatte über Flächengerechtigkeit, Umverteilung und echte Suffizienz. Stattdessen wird weitergebaut, als gäbe es unbegrenzt Platz und Ressourcen – mit allen bekannten Folgen für Klima, Umwelt und soziale Gerechtigkeit.

Politisch unbequeme Fragen werden zu selten gestellt: Warum orientieren sich Bau- und Planungsrecht immer noch an überholten Lebensmodellen? Warum fördern wir den Traum vom Eigenheim, während Menschen in Sozialwohnungen keinen Platz finden? Warum gibt es kein Recht auf kleinen, bezahlbaren Wohnraum im Quartier?

Die Gesellschaft muss sich bewegen

Es ist zu einfach, allein die Kommunen in die Pflicht zu nehmen. Denn selbst wenn sie handeln – so wie Freiburg – stoßen sie an Grenzen, wenn die Menschen selbst keine Veränderung wollen. Die gesellschaftliche Debatte über Wohnflächenkonsum, Alterswohnen, das Teilen von Wohnraum oder alternative Wohnformen findet kaum statt. Stattdessen dominiert das Bild vom „Wohlstand durch Wohnraum“.

Kommunen brauchen Rückendeckung – politisch, rechtlich und finanziell. Der Bund ist in der Pflicht, den Rahmen so zu gestalten, dass suffizientes Wohnen nicht nur gewollt, sondern auch möglich ist. Dazu gehören gezielte Förderprogramme für Umnutzung und Umbau, rechtliche Erleichterungen im Baugesetzbuch und Anreize für kleine, flächensparende Neubauprojekte. Auch die Länder können ihren Teil beitragen – etwa über Unterstützung bei kommunalen Aufklärungs- und Beratungsstrukturen.

Bisher ist aber das Interesse der Bundespolitik am Thema gering: zu unpopulär, zu kompliziert. Verantwortung wird nach unten weitergereicht – an die Kommunen, an engagierte Einzelpersonen, an Projekte mit kurzer Laufzeit. Das reicht nicht. Wohnraumsuffizienz muss zur politischen Leitlinie auf allen Ebenen werden.

Mein Fazit: Mehr Willen, mehr Mut, mehr Veränderungsbereitschaft

Verschwenderische Wohnraumnutzung lässt sich nicht mit ein paar wohlmeinenden Projekten beheben. Sie ist Ausdruck tiefer gesellschaftlicher Widersprüche: zwischen Besitzstandswahrung und Gemeinwohl, zwischen Komfort und Nachhaltigkeit. Die bisherigen Maßnahmen sind wichtig, aber sie reichen nicht.

Wenn wir es ernst meinen mit Wohnraumsuffizienz, braucht es mehr Druck, mehr Anreize – und mehr unbequeme Gespräche. Die Politik muss über Pilotprojekte hinausgehen. Und wir als Gesellschaft müssen uns fragen, wie viel Raum wir wirklich brauchen – und ob wir bereit sind, ihn zu teilen.

Denn eines ist klar: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Nicht aus sozialer, nicht aus ökologischer und nicht aus städtebaulicher Sicht. Wer das ignoriert, zementiert nicht nur den Mangel – sondern auch die Ungerechtigkeit.

Was jetzt zu tun ist

Der Bund muss sich endlich vom Neubau als Allheilmittel lösen und die strukturellen Weichen stellen:

  • durch ein Bau- und Planungsrecht, das Umbau vor Neubau denkt
  • durch gezielte Anreize für flächensparendes Wohnen
  • durch ein klares Bekenntnis zur Reduktion des Pro-Kopf-Wohnflächenverbrauchs.

Das gilt nicht nur für Klimapläne, sondern auch im Alltag der Menschen. Das politische Ziel, die tägliche Neuversiegelung auf unter 30 Hektar pro Tag zu reduzieren und langfristig auf Netto-Null zu senken muss endlich in ein Gesetz gegossen und ernsthaft verfolgt werden.

Die Kommunen brauchen langfristige Ressourcen, klare rechtliche Rahmenbedingungen und finanzielle Unterstützung, um ihre Handlungsmöglichkeiten voll auszuschöpfen. Förderprogramme dürfen nicht nur punktuell wirken, sondern müssen dauerhaft und verlässlich sein – mit geringem bürokratischem Aufwand und klarer Zielsetzung.

Und wir als Bürger:innen? Wir müssen anfangen, unser eigenes Wohnverhalten kritisch zu hinterfragen. Nicht jede Veränderung muss radikal sein – aber ohne Bereitschaft zur Reflexion, zum Teilen und zum Umdenken wird sich nichts bewegen.

Effizienter wohnen heißt nicht weniger Lebensqualität – es kann bedeuten, mehr Gemeinschaft, mehr Nachhaltigkeit, mehr Zukunft möglich zu machen. Doch dafür braucht es den Mut, alte Muster zu hinterfragen. Jetzt, nicht erst in zehn Jahren.

Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Wie sich der Wert eines Parks monetär ausdrücken lässt von Christian Krekel, London School of Economics and Political Science

Suffizienz: Ein Schlüssel zu sozial gerechter Klimapolitik von Marion Davenas, Deutsch-Französisches Zukunftswerk

Transformation im Gebäudesektor: Ansätze für eine gesellschaftlich tragfähige Umsetzung von Prof. Matthias Kalkuhl, Universität Potsdam/PIK und Kollegen



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