Wie öffentliche Debatten verantwortungsvolles Verhalten in Märkten beeinflussen können

Prof. Dr. Björn BartlingUniversität Zürich

Haben öffentliche Debatten einen kausalen Einfluss auf Verhalten in Märkten? In Beobachtungsstudien ist es oft schwierig zu unterscheiden, was Ursache und was Wirkung ist. Eine Bewegung wie beispielsweise Fridays For Future könnte entstehen, weil ohnehin das Bewusstsein für sozial verantwortliches Verhalten in der Gesellschaft steigt – aber die Bewegung könnte auch die kausale Ursache dafür sein, dass dieses Bewusstsein steigt.

Die Ergebnisse einer experimentellen Studie, die wir gerade in der American Economic Review veröffentlicht haben, lassen den Schluss zu, dass öffentliche Debatten einen kausalen Einfluss auf sozial verantwortliches Handeln in Märkten haben. Dies ist insbesondere relevant, wenn Märkte durch Marktfehler, wie das Vorhandensein von negativen externen Effekten, gekennzeichnet sind.

Experimente in den Wirtschaftswissenschaften

Ein bedeutender Vorteil experimenteller Methoden gegenüber anderen Ansätzen ist die Möglichkeit, kausale Effekte klar zu identifizieren. In unserer Studie konnten wir die Teilnehmer in simulierten Märkten zufällig verschiedenen Gruppen – mit und ohne Möglichkeit einer öffentlichen Debatte – zuweisen und sicherstellen, dass beobachtete Verhaltensunterschiede kausal auf die Möglichkeit einer Debatte zurückzuführen sind.

Diese Kontrollmöglichkeit macht Experimente in den Wirtschaftswissenschaften zu einem wertvollen Werkzeug, um menschliches Verhalten in komplexen Märkten besser zu verstehen. Ein Nachteil ist jedoch immer die Frage der externen Validität von Verhalten, das unter Laborbedingungen beobachtet wurde.

Negative externe Effekte in Märkten

Ein häufiges Problem in Märkten ist, dass negative externe Effekte nicht vollständig berücksichtigt werden. Externe Effekte entstehen, wenn die Kosten oder Vorteile einer Transaktion nicht von denjenigen getragen werden, die sie verursachen.

Ein klassisches Beispiel ist Umweltverschmutzung: Unternehmen oder Konsumenten, die günstige, aber umweltschädliche Produkte handeln, verursachen Kosten. Diese müssen von der gesamten Gesellschaft getragen werden. Diese Art von Marktversagen führt oft zu unerwünschten Ergebnissen.

Politische Lösungen wie Regulierungen oder Steuern sind oft schwer umsetzbar oder stoßen auf Widerstand. Daher ist die Frage, ob freiwillige Maßnahmen, die durch sozial verantwortliches Verhalten der Marktteilnehmer gefördert werden, zumindest partiell Abhilfe schaffen können. Hier kommen öffentliche Diskussionen ins Spiel, die ein potenzielles Mittel sind, solches Verhalten zu fördern.

Wie beeinflussen öffentliche Debatten das Verhalten in Märkten?

In unserer Studie haben wir drei experimentelle Studien mit knapp 2.500 Teilnehmern durchgeführt, um zu untersuchen, wie öffentliche Debatten das Verhalten in Märkten beeinflussen. Die Teilnehmer agierten in einem simulierten Marktumfeld als Käufer oder Verkäufer. Es gab zwei Produkttypen: ein günstiges, aber schädliches Produkt, das negative Auswirkungen auf Dritte hat und ein teureres, aber verantwortungsvolles Produkt ohne solche externen Effekte.

In einigen Varianten des Experiments wurde den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben, vor dem Marktgeschehen für wenige Minuten über soziale Verantwortung zu diskutieren. Ziel war es, zu prüfen, ob diese Art der öffentlichen Debatte das Verhalten in den Märkten beeinflussen können.

Unsere Daten zeigen, dass öffentliche Diskussionen das Marktverhalten in Richtung sozial verantwortlicher Entscheidungen lenken können.

In einer Reihe von verschiedenen Versionen unseres Marktexperiments stieg der Marktanteil verantwortungsvoller Produkte signifikant, nachdem die Teilnehmer vor der Marktinteraktion über soziale Verantwortung gesprochen hatten.

Dies zeigt, dass der Diskurs über die sozialen Konsequenzen des eigenen Handelns das Verantwortungsbewusstsein stärken kann.

Vergleich zwischen Schweiz und China

Besonders interessiert hat uns auch der Vergleich zwischen der Schweiz und China, da frühere experimentelle Studien gezeigt haben, dass der Marktanteil verantwortungsvoller Produkte in den beiden Ländern sehr unterschiedlich ist: In der Schweiz lag er in unseren experimentellen Märkten auch ohne öffentliche Debatte mit 50 Prozent bereits relativ hoch, während er in China bei nur 15 Prozent lag. 

Diese Unterschiede konnten wir in unserer neueren Studie replizieren, nun aber auch zeigen, dass eine Debatte zwischen den Marktteilnehmern in beiden Ländern zu einem signifikanten Anstieg des Anteils verantwortungsvoller Produkte führt. In der Schweiz stieg der Marktanteil auf nahezu 100 Prozent, während er in China auf etwa 60 Prozent anstieg. Diese Ergebnisse zeigen, dass öffentliche Debatten unabhängig vom kulturellen Kontext und vom Ausgangsniveau verantwortlichen Verhaltens positive Effekte auf das Marktergebnis haben können.

Teil einer Gemeinschaft sein

Unsere detaillierteren Auswertungen legen nahe, dass Debatten das Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein der anderen Marktteilnehmer stärken. Wenn die Teilnehmer wissen, dass auch andere bereit sind, höhere Kosten für verantwortungsvolles Handeln zu tragen, sind sie selbst eher bereit, entsprechend zu handeln. Das Gefühl, dass man nicht allein handelt, sondern Teil einer Gemeinschaft ist, die Wert auf verantwortungsvolle Entscheidungen legt, scheint dabei eine zentrale Rolle zu spielen.

Interessant ist auch, dass die Wirkung der Diskussionen davon beeinflusst wird, wer daran teilnimmt. In einer Variante des Experiments durften nur Käufer und Verkäufer an der Diskussion teilnehmen, nicht aber die von den externen Effekten betroffenen Dritten. Auch in diesem Fall führten die Diskussionen zu einem Anstieg des verantwortungsvollen Verhaltens, jedoch in geringerem Maße als in den Fällen, in denen alle Gruppen beteiligt waren.

Diskussionen sollten viele Menschen einbeziehen

Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass öffentliche Debatten ein nützliches Mittel sein können, um verantwortungsvolles Verhalten in Märkten zu fördern. Bewegungen wie Fridays For Future oder Kampagnen zur Reduzierung von Plastikmüll könnten durch öffentliche Diskussionen das Marktverhalten positiv beeinflussen. Es scheint jedoch wichtig zu sein, dass diese Diskussionen möglichst viele Menschen einbeziehen, um ihre volle Wirkung zu entfalten.

In einer unserer Versuchsbedingungen war die Teilnahme an den Diskussionen freiwillig. Hier blieben die positiven Effekte weitgehend aus. Dies deutet darauf hin, dass freiwillige Teilnahme möglicherweise nicht ausreicht, um signifikante Verhaltensänderungen zu bewirken. Es könnte daher sinnvoll sein, öffentliche Diskussionen gezielt zu fördern und die Beteiligung zu maximieren.

Ergänzung zu klassischen regulativen Maßnahmen

In einer Zeit, in der politische Maßnahmen zur Internalisierung externer Effekte häufig schwer umzusetzen sind – siehe beispielsweise die politischen Verhältnisse in den USA – könnte der Ansatz, sozial verantwortliches Verhalten in Märkten durch öffentliche Debatten zu fördern, eine sinnvolle Ergänzung zu klassischen regulativen Maßnahmen zur Eindämmung von Marktfehlern darstellen.

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