Warum ein Digitalministerium die Produktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland stärken würde

Oliver J. Sümeeco – Verband der Internetwirtschaft e.V.

Digitale Technologien verändern unser Leben und unsere Wirtschaft. Sie haben Einfluss auf Produktionsprozesse, Innovationen und die Interaktion von Unternehmen, Arbeitskräften, Verbrauchern und staatlichen Stellen.

Digitale Technologien bergen ein enormes Potenzial, die Produktivität der Unternehmen und letztlich unser aller Lebensqualität zu steigern. Cloud-Computing bietet den Unternehmen beispielsweise Zugang zu einer flexiblen Datenspeicherung und -verarbeitung. Online-Plattformen erleichtern die Interaktion und Kommunikation zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Und künstliche Intelligenz versetzt Unternehmen in die Lage, komplexe Aufgaben immer weiter zu automatisieren.

Damit Unternehmen aber den Nutzen dieser digitalen Technologien zeitnah und in einem wirtschaftlich sinnvollen Aufwandsrahmen nutzen können, braucht es entsprechende politische Rahmenbedingungen, die digitale Transformation fördern, anstatt sie aufzuhalten.

Ein Digitalministerium könnte hier als federführende strategische Instanz die Digitalpolitik der einzelnen Ressorts bündeln, koordinieren und so für mehr Stringenz und Effektivität sorgen, wo aktuell noch Kompetenzgerangel und Bürokratie digitale Innovationsprozesse lähmen.

Dies käme auch dem Produktions- und Wirtschaftsstandort Deutschland zugute.

Am Beispiel des Einsatzes künstlicher Intelligenz in Unternehmen wird dieser Zusammenhang besonders deutlich.

Enormes Potential durch KI

Technologien und Anwendungen auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) haben ein enormes Wirtschaftspotenzial. Eine gemeinsame Studie aus dem vergangenen Jahr von eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. und Arthur D. Little, unterstützt vom Vodafone Institut, untersucht erstmals anhand von 150 Use Cases, welche Effekte konkret für Unternehmen in Deutschland durch KI zu erwarten sind.

Die Erkenntnis: Wird KI flächendeckend eingesetzt, ist ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von über 13 Prozent bis 2025 (im Vergleich zu 2019) realistisch.

  • Dies entspricht einem Gesamtpotenzial von ca. 488 Mrd. Euro.
  • Davon entfallen ca. 330 Milliarden Euro (70 %) auf Kosteneinsparungen.
  • Etwa 150 Milliarden Euro (30%) entfallen auf Umsatzpotenziale für alle Branchen.

Absolut profitieren am meisten die Branchen Handel & Konsum sowie Energie, Umwelt & Chemie mit je knapp unter 100 Milliarden Euro.

Besonders große Chancen sehen die Verfasser für Industrie 4.0: Mit etwas über 50 Prozent (182,5 Mrd. EUR) steckt das größte Kosteneinsparpotenzial in der Unterstützung der Produktion durch KI.

Einführung von KI braucht politischen Rückenwind

Für eine erfolgreiche Einführung von KI-Technologien benötigt die deutsche Wirtschaft aber auch politischen Rückenwind. Die von der Bundesregierung Ende 2018 vorgestellte nationale KI-Strategie muss daher jetzt zügig umgesetzt und weiter konkretisiert werden.

Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, der neben gezielter Forschung und Entwicklung auch auf leistungsfähige digitale Infrastrukturen setzt und die gesellschaftliche Akzeptanz für KI-Technologien fördert. Damit auch kleine und mittelständische Unternehmen KI optimal und souverän nutzen können, muss der Mittelstand besonders gefördert werden.

Doch aktuell zeigt sich am Beispiel von künstlicher Intelligenz noch, wie angestrebte Produktivitätsprozesse unter zu vielen Ansprechpartnern und Verantwortlichkeiten leiden:

  • Der für den Einsatz von KI dringend vorauszusetzende Netzausbau sowie die Gewährleistung schneller und sicherer digitaler Infrastrukturen sind Aufgabe des Bundesverkehrsministeriums.
  • Für die Förderung des Einsatzes technologischer Innovationen wie KI in Unternehmen ist das Bundeswirtschaftsministerium federführend zuständig.
  • Bei der Regulierung von KI sind gleich mehrere Bundesministerien involviert. Verbundene Fragen im Bereich Datenschutz und Datensicherheit liegen teils im Innenressort, im Finanzministerium oder beim Verbraucherschutz.
  • Um die Aus- und Weiterbildung der dringend benötigten Fachkräfte zur Implementierung von KI-Lösungen in Betrieben müsste sich das Bildungs- und das Arbeitsministerium kümmern.

Die Liste ließe sich beliebig fortführen und soll hier lediglich veranschaulichen, wie komplex das Thema digitale Transformation in der konkreten Umsetzung wirklich ist. Und wieviel Koordinierung nötig ist, damit wir die theoretischen Potenziale digitaler Technologien auch wirklich heben können.

Aktuell verlieren wir viel Zeit durch parallele Entscheidungsprozesse, widersprüchliche Politiken und kontraproduktive bürokratische Apparate. Im weltweiten Wettbewerb der innovativsten Produktions- und Wirtschaftsstandorte um die Vorreiterrolle im Bereich Digitalisierung und KI können wir uns diesen Hindernislauf nicht länger leisten.

Digitalministerium als strategische Schaltstelle für die digitale Transformation

Ein Digitalministerium, wie wir es mit dem eco Verband schon seit Jahren fordern, könnte hier Abhilfe schaffen. Es könnte Prozesse vereinfachen, die großen Linien vorgeben, strategische Entscheidungen treffen. Dafür müsste das neue Ministerium eine übergeordnete Rolle erhalten und die Aufgaben der bisherigen zuständigen Fachressorts übernehmen.

Für weitere, klar umrissene Fachvorhaben sollte das Bundesministerium zudem eine Co-Federführung haben, um deren harmonische Integration in die gesamte Digitalpolitik sicherzustellen.

Die organisatorische Ausgestaltung nachgelagerter Behörden, die sich bisher im Zuständigkeitsbereich einzelner Bundesministerien befinden, müsste dann entsprechend neu zugeordnet und ganz oder in Teilen an das künftige Digitalministerium angegliedert beziehungsweise untergeordnet werden. Wie dieses Ressort letztlich heißt, ist zweitrangig.

Entscheidend ist vielmehr, dass es mit dem nötigen Budget und Kompetenzen ausgestattet wird, um zentrale digitalpolitische Aufgaben agil und zeitnah umsetzen zu können. Um dies zu gewährleisten, ist gegebenenfalls eine Anpassung der Prozesse und Geschäftsordnung innerhalb der Bundesregierung nötig.

Daneben ist auch ein Digitalausschuss im Bundestag unabdingbar.

Ein Digitalministerium, das die digitalpolitische Inkonsistenz der vergangenen Jahre beendet und stattdessen eine zukunftsorientierte Netzpolitik vorantreibt, ist überfällig. Statt Kompetenzgerangel und endlosen Abstimmungsschleifen benötigen wir endlich eine enge Vernetzung, um digitale Großprojekte wie die Implementierung künstlicher Intelligenz in Unternehmen, aber auch Schulclouds oder Gesundheitsapps schnell und ganzheitlich anzugehen.

Die anstehende Bundestagswahl bietet die Chance, ein solches Ressort endlich im Rahmen der nächsten Regierungsbildung zu etablieren.

Die Weichen für die Einrichtung eines solchen Hauses und seines Verwaltungsstabs muss die Politik allerdings bereits in dieser Legislaturperiode stellen.

 Ein Digitalministerium ist eine von 20 Kernforderungen zur Bundestagswahl 2021, die der Verband aus seiner Internetpolitischen Agenda abgeleitet hat. Mehr erfahren unter: eco.de/wahldigital-2021

 



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