Sika Deutschland: „Wir müssen wieder Freude an Leistung finden“
In unserer Interview-Reihe sprechen wir mit kleinen und mittleren Unternehmen über das Thema nachhaltige Innovationen – und darüber, welche staatlichen Rahmenbedingungen aus ihrer Perspektive gegeben sein müssen, damit die anstehende Nachhaltigkeitstransformation erfolgreich bewältigt werden kann.
Dieses Mal geht es um das Unternehmen Sika Deutschland. Sika ist einen Unternehmen der Bauchemie, tätig für den Bausektor und die produzierende Industrie. Geschäftsführerin Daniela Schmiedele erklärte uns unter anderem, warum sie die Herausforderungen unserer Zeit anstrengend, aufwendig und unglaublich motivierend findet.
Können Sie uns Ihre Produkte etwas näher erläutern?
Wir entwickeln und vertreiben global etwa 50.000 Produkte, die dementsprechend äußerst unterschiedlich sind. Der Großteil gehört zum Baubereich. Wir sind führend in der Entwicklung und Herstellung von Systemen und Produkten zum Kleben, Dichten, Dämpfen, Verstärken und Schützen. Konkret entwickeln wir beispielsweise Materialien zur Dachabdichtung oder Bodenbeschichtung. Sika Deutschland vertreibt, um ein anderes Beispiel zu nennen, aber auch sogenannte Betonzusatzmittel: Sie sorgen dafür, dass der Beton länger verarbeitet werden kann. Manche der Stoffe unserer Produktpalette sind für den Innenausbau geeignet, andere für Infrastrukturprojekte wieder andere speziell für den Hochbau. Genau das ist unsere Stärke: Wir sind breit aufgestellt, bedienen ganz unterschiedliche Märkte und Kundengruppen.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Ihre Produktpalette?
Wir haben insgesamt 18 Technologiezentren, sechs davon in Deutschland. Alle haben unterschiedliche Schwerpunkte – aber alle versuchen, neue und nachhaltigere Bau- und Produktionsstoffe zu entwickeln. In der Regel melden wir im Jahr 70 bis 100 Patente an. Kürzlich haben wir zum Beispiel eine neue Versiegelung und Grundierung für den Brückenbau eingeführt: ein Brückenharz aus einem organischen Rohstoff. Dessen Entwicklung hat rund eineinhalb Jahre Zeit gekostet. Das ist aber nur ein Beispiel von vielen. Wir versuchen mehr und mehr, auf organische Stoffe zurückzugreifen.
Die Bauwirtschaft befindet sich aktuell einfach in einer sehr spannenden Phase. Wir haben zwar große Hürden zu überwinden, was aufwendig und auch anstrengend ist. Aber es stehen auch gigantische Chancen dahinter. Jetzt können wir die Weichen stellen. Das finde ich einfach unglaublich motivierend. Wir sind zudem sehr stolz, dass Sika für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Unternehmen 2025 in der Branche Zement, Beton, Baumaterialien nominiert ist.
Was hat den Ausschlag für nachhaltigere Produkte in Ihrem Unternehmen gegeben?
Das sind ganz viele Punkte. Mit Sicherheit ist der europäische Green Deal ein starker Treiber dafür, dass auch in anderen Unternehmen vermehrt auf Nachhaltigkeit gesetzt wird. Aber wir sehen auch, dass das Thema vonseiten der Gesellschaft eine größere Rolle spielt. Die Menschen sind sensibler geworden für das Thema. Das spüren wir auch in unserer Belegschaft. Da gibt es gewissermaßen einen intrinsischen Motivationsdruck, als Unternehmen Vorreiter sein zu wollen.
Nachhaltigkeit spielt beispielsweise auch bei unserem betrieblichen Vorschlagswesen immer wieder eine Rolle. Mitarbeitende bringen dort ihre Ideen ein, wie wir unsere Prozesse verbessern können. Auch dort wird das Thema sichtbar. Aber auch in jedem Vorstellungsgespräch. Speziell die junge Generation ist sehr interessiert daran, welche Schritte ihr künftiger Arbeitgeber hier geht.
Was würden Sie sich vonseiten der Politik wünschen?
Es gibt mittlerweile Signale, dass öffentliche Auftraggeber zukünftig nicht nur nach dem Preis entscheiden wollen. Stattdessen soll es ein Punktesystem geben, in dem auch Aspekten wie nachhaltigen Materialien Rechnung getragen wird. Das begrüßen wir sehr. Denn sonst kriegen wir die nachhaltigen Produkte, die wir entwickeln, überhaupt nicht auf die Straße. Ich würde mir wünschen, dass genau solche Wege weitergegangen werden. Deutschland muss Nachhaltigkeit stärker in seine Regulatorik aufnehmen.
Also sollten Unternehmen zu Nachhaltigkeit verpflichtet werden.
Zumindest zum Teil. Wir brauchen mit Sicherheit solche Regularien, die damit auch die Weichen für die Zukunft setzen. Davon bin ich überzeugt. Ansonsten entsteht kein Innovationsdruck. Ich bin allerdings auch ein Kritiker davon, zu viel zu regeln. Natürlich dienen viele Regularien auch der Sicherheit. Ich denke aber, dass an der ein oder anderen Stelle etwas übertrieben wird. Das sollte wir ändern – zumal dies auch im Sinne einer Kreislaufwirtschaft wichtig wäre.
Wie meinen Sie das?
Ein Beispiel: In der Baubranche wird vermehrt dazu übergegangen, Beton zu recyclen. Nach dem Abriss eines Gebäudes wird der Beton also geschreddert und danach sortiert. Das können die Abbruchunternehmen mittlerweile sehr gut. Aber: Unter den derzeitigen Regeln darf trotzdem nur ein Bruchteil des Recycling-Betons wiederverwendet werden. Das ist dem Sicherheitsaspekt geschuldet. Es ist aber wichtig, dass wir an diesen Stellen genau hinschauen und nachschärfen – sonst können wir es nicht schaffen, in eine Kreislaufwirtschaft zu kommen.
Gibt es bei Sika Deutschland noch weitere Bemühungen hin zur Kreislaufwirtschaft?
Aktuell beschäftigen wir uns mit der Frage, wie wir Dachbahnen recyclen können. Es ist möglich, einige unserer Bahnen wieder abzurollen, wenn ein Dach saniert wird. Diese können wir dann ins Werk zurück transportieren und sie zu einem Rezyklat verarbeiten, das wir zu einem gewissen Teil in neue Dachbahnen einbauen können.
Um dieses Vorhaben weiter voranzutreiben, muss man allerdings logistische Fragen lösen. Momentan ist es so, dass es deutlich günstiger ist, die abgerissenen Bahnen zu entsorgen. Solche Hürden müssen wir nehmen.
Was bräuchten wir Ihrer Ansicht nach generell, um die deutsche Wirtschaft in grünere Bahnen zu lenken?
Ich hoffe, dass wir Deutschen schnell unseren Mut und unsere Stärke wiederfinden. Wir haben oft bewiesen, dass wir viel leisten können. Und ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, sich wieder darauf zu besinnen. Wir müssen wieder Freude an Leistung finden. Ich habe durchaus Verständnis für das Bedürfnis nach einer Vier-Tage-Woche. Aber ich glaube, es ist auch jedem klar, dass uns das in der aktuellen Situation nicht weiterbringen wird. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen wieder Spaß daran finden, dieses Land nach vorne zu bringen. Denn dazu brauchen wir jeden Einzelnen, das ist meine tiefe Überzeugung.
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