Nachhaltige Arbeit: ökonomisch, ökologisch und menschengerecht
Gegenwärtig stehen die Unternehmen vor der Herausforderung, die digitale und die ökologische Transformation gleichzeitig bewältigen zu müssen. Neben zunehmender vernetzter und intelligenter Digitalisierung beeinflusst der Klimawandel signifikant die Zukunft von Unternehmen.
Der Klimawandel ist nicht nur mit ökologischen Risiken in Form von Naturgefahren, sondern auch mit veränderten Anforderungen von Gesellschaft, Kunden, Politik und Gesetzgebung an Unternehmen verbunden.
Strategische Transformationsprozesse und unvorhergesehene Geschehnisse
Diese strategisch gewollten – digitalen und ökologischen – Transformationsprozesse laufen parallel zu den turbulenten und immer schwerer vorhersehbaren Umwelt- und Rahmenbedingungen (beispielsweise dauerhaft hohe Energiepreise, Inflation, Lieferkettenprobleme, neue gesetzliche Vorgaben), auf welche die Unternehmen bedingungslos reagieren müssen.
Hinzu kommen langfristige Trends wie die demographische Entwicklung, die zu einer zunehmend älteren Belegschaft führt. Krisen können die Wirkungen von Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografischem Strukturwandel beschleunigen und verstärken, aber auch verlangsamen oder gar einschränken. Trotz der verschiedenen Effekte volatiler Rahmenbedingungen bleibt es Anspruch an Politik, Wirtschaft und Sozialpartner, auf diese Unwägbarkeiten schnell, zielgerichtet und nachhaltig zu reagieren.
Der vom Bundesminister für Arbeit und Soziales einberufene unabhängige Rat der Arbeitswelt erkennt dieses herausfordernde Umfeld für die Unternehmen. Der jüngst im Mai 2023 vorgelegte Arbeitsweltbericht legt den Schwerpunkt folgerichtig auf die digitale und ökologische Transformation der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes und der Unternehmen in bewegten Zeiten.
Für beide Transformationen – die digitale und die ökologische – werden vom Rat der Arbeitswelt übergeordnete Fragestellungen zu Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt sowie Anforderungen an veränderte Qualifikationen in Deutschland beantwortet. Die Bewältigung der doppelten Transformationsprozesse findet dagegen auf betrieblicher Ebene statt. Daher thematisiert der Arbeitsweltbericht ebenso die Gestaltung der Transformation im „Betrieb als Transformationsort“.
Nachhaltige Arbeit als wichtigste Ressource
Im Kontext der Arbeits- und Betriebswelt bedeutet „Nachhaltigkeit“, die Unternehmens- und Arbeitssituation bereits heute zu verbessern, ohne die langfristigen Zukunftsaussichten für Unternehmen, Inhaber, Beschäftigte, Kunden und Lieferanten zu verschlechtern. Dazu müssen vom Unternehmen die Situation und Handlungsfolgen in den Dimensionen Ökonomie, Soziales und Ökologie gleichwertig betrachtet werden.
Um die digitale und ökologische Transformationen gegenwärtig und zukünftig erfolgreich auf betrieblicher Ebene zu meistern, zeichnet der Rat der Arbeitswelt das Leitbild einer nachhaltigen Arbeit.
Was bedeutet nachhaltige Arbeit?
Die doppelte Transformation erfordert die Erweiterung des arbeitswissenschaftlichen Verständnisses von Arbeit. Die beiden bisher im Zentrum stehenden Dimensionen bei der Gestaltung, Analyse und Bewertung von Arbeit sind: Humanität und Wirtschaftlichkeit (siehe zum Beispiel das Selbstverständnis der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft). Auch REFA, eine Institution, die seit knapp 100 Jahren die Arbeits- und Betriebsorganisation in Deutschland prägt, nennt als Erfolgskriterien im Sinne des Humanorientierten Produktivitätsmanagements die „Wirtschaftlichkeit“ und „Humanorientierung“.
Nachhaltige Arbeit ist mehr als die alleinige Konzentration auf Wirtschaftlichkeit und Humanität.
Sascha Stowasser
Nachhaltige Arbeit fordert die gleichwiegende Betrachtung einer weiteren Komponente: die ökologische Dimension der Arbeit.
Nachhaltige Arbeit ist demnach:
effektiv, produktiv, innovativ,
sozial, menschengerecht und
ökologisch.
Umsetzung nachhaltiger Arbeit in den Unternehmen
Auf betrieblicher Ebene ergibt sich die Notwendigkeit für nachhaltige Arbeit aus den Anforderungen von Politik, Gesellschaft, Gesetzgebung, Beschäftigten und Kunden an ein Unternehmen. Unternehmen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, gefährden dadurch ihre wirtschaftliche Existenz und ihr Fortbestehen. Ziel muss also eine gleichberechtigte Sicherstellung und Verbesserung von ökonomischer, sozialer und ökologischer Leistungsfähigkeit sein.
Die doppelte – digitale und ökologische Transformation – ermöglicht große Chancen für die nachhaltige Arbeit und somit für eine innovations- und wettbewerbsfähige Wertschöpfung. Der Schlüssel für die Umsetzung nachhaltiger Arbeit liegt in einem möglichst verschwendungsarmen und produktiven Umgang mit, ökonomischen, sozialen und ökologischen Ressourcen. Durch den Produktivitätsgedanken lassen sich die gleichwertigen Aspekte der Nachhaltigkeit verbinden und Zielkonflikte auflösen. Näheres dazu hier.
Produktivität auf betrieblicher Ebene ist die Relation von Output (welches Ergebnis kommt heraus?) und Input (welche Ressourcen werden eingesetzt?). Die Umsetzung nachhaltiger Arbeit – angestoßen durch die digitale und ökologische Transformation – wirkt in zwei Richtungen: Einerseits steigert der Einsatz innovativer, digitaler Technologien (z. B. Werkzeuge der Künstlichen Intelligenz) den Output, andererseits erfordert die ökologische Transformation den schonenden Ressourcenumgang (und damit möglicherweise einhergehend eine Reduzierung des Inputs).
Um diese Chancen zu erkennen und zu nutzen, muss jedes Unternehmen eigene Situation auf betriebsspezifischer Mikroebene hinsichtlich der Dimensionen Ökonomie, Soziales und Ökologie analysieren, beurteilen und Ziele für das eigene Handeln definieren. Dazu sind geeignete Metriken auf Unternehmensebene zu finden, mit denen die Situation und Entwicklung des Unternehmens erfasst werden kann.
Etablierte Produktions- und Dienstleistungsprozesse in den Unternehmen sollten angepasst und dabei die Produktivitätspotenziale digitaler Technologien sowie ökologisch orientierter Planungsansätze genutzt werden. Das Wechselspiel zwischen Arbeit und ökologischer Ressourcennutzung sowie Lebensgrundlage muss bei Planung und Gestaltung der Arbeitsprozesse zukünftig stärker fokussiert werden. Nachhaltige Arbeit verlangt ebenso die Sicherung der Arbeitsmöglichkeiten und Arbeitsfähigkeiten jüngerer sowie künftiger Generationen.
Lohnend ist die Umsetzung von nachhaltiger Arbeit im Unternehmen in vielerlei Hinsicht, denn sie führt zur
- Erhaltung der betrieblichen Existenzgrundlage und Ressourcen,
- Sicherung und Verbesserung des wirtschaftlichen Betriebserfolges,
- Wohlergehen und Zufriedenheit von Beschäftigten.
Das ifaa stellt eine Checkliste zur Verbesserung der Nachhaltigkeit von Unternehmen bereit.
Literatur:
ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (Hrsg.): Nachhaltigkeit – Die Zukunft erfolgreich gestalten. Düsseldorf, 2021.
Rat der Arbeitswelt: Arbeitswelt-Bericht 2023, Transformation in bewegten Zeiten – nachhaltige Arbeit als wichtigste Ressource. Berlin, 2023.
Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:
Weniger Mobilität: Bleiben corona-bedingte Veränderungen bestehen? von Janna Axenbeck, ZEW
Eine inklusivere und produktivere Arbeitswelt als Antwort auf den Fachkräftemangel von Dr. Anika Jansen, Institut der deutschen Wirtschaft
Produktiver und gesünder durch Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn? von Virgilia Jansen-Preilowski, Arbeitspsychologin
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