Gemeinnützige Industrieforschung für mehr Innovationen im Mittelstand

Prof. Dr. Martin BastianZuse-Gemeinschaft

Deutsche Unternehmen belegen im EU-Ranking der Forschungsausgaben Top-Platzierungen. Im Mittelstand hingegen ist der Anteil Innovationen schaffender Unternehmen langfristig rückläufig.

Das war schon vor der Corona-Krise ein Problem. Die Pandemie droht die Lage zu verschärfen. Daher müssen wir gegensteuern.

Top-Unternehmen mit vergleichsweise hohen FuE-Ausgaben

Die Wirtschaft sei gut durch die Pandemie gekommen, heißt es allenthalben bei Ökonomen und in der Bundesregierung. Die staatliche Unterstützung, nicht zuletzt die Hilfen beim Kurzarbeitergeld, hätten geholfen.

Die Börse und Unternehmensdaten scheinen ihnen recht zu geben. Im ersten Halbjahr 2021 erreichten die Gewinne der Dax-Konzerne neue Rekordmarken.

Einer der Top-Gewinner ist zugleich der Konzern mit den höchsten Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) in Europa: Volkswagen machte im ersten Halbjahr 2021 nach Steuern einen Gewinn von 8,5 Mrd. Euro und setzte knapp 130 Mrd. Euro um.

Andere Autokonzerne verdienten ebenfalls bestens. Auch Daimler schaffte ein Ergebnis von mehr als 8 Milliarden Euro, BMW einen Konzernüberschuss von 7,6 Milliarden Euro.

Gleichzeitig sind die drei Unternehmen, gemessen an der Höhe ihrer absoluten FuE-Ausgaben, die Top 3 in der EU.

Allerdings: Die Forschungsintensität liegt bei ihnen mit jeweils rund sechs Prozent weit hinter den Werten von Medizin- oder Softwarekonzernen wie Sanofi, Merck oder SAP, die es auf Werte von 15-20 Prozent bei der Forschungsintensität bringen.

Im Umkehrschluss heißt das:

Deutschlands Großunternehmen haben für FuE aktuell die finanziellen Polster, um den notwendigen Wandel für Aufgaben wie Antriebs- und Energiewende weitgehend aus eigener Kraft zu stemmen.

Anders ist die Lage im Mittelstand

Ganz anders ist die Lage im Mittelstand. Laut Einschätzung von KfW Research  sind 2020 nicht wenige Mittelständler in die Verlustzone gerutscht oder mussten Gewinnrückgänge verkraften. Die Lage dürfte sich 2021 nicht wesentlich gebessert haben.

Laut dem jüngsten von der KfW veröffentlichten Innovationsbericht Mittelstand ist nur rund jeder fünfte deutsche Mittelständler mit Innovationen aktiv. Warum sollte uns das sorgen?

  • Der Mittelstand ist traditionell Ausbildungs- und Jobmotor, regional verwurzelt und global handelnd.
  • Die Ideen von Startups und junge Mittelständler – sei es als Dienstleister, eigenständige Produzenten oder Zulieferer – helfen auch Großunternehmen.
  • Last but not least können mehr Innovationen im Mittelstand dazu beitragen, Deutschlands FuE auf eine breitere Basis zu stellen. Denn die ruht traditionell auf nur wenigen Branchen wie eben der Autoindustrie.

Beunruhigend ist deshalb, dass die Innovatorenquote im Mittelstand als Gradmesser für Neuerungen, die Unternehmen umsetzen, für die Jahre 2017/19 (den jüngsten verfügbaren Daten) bei nur 22 Prozent liegt.

Das heißt: Nur eine schmale Basis an Mittelständlern war zu Beginn der Pandemie mit Innovationen aktiv. Danach sorgte die Corona-Krise für zusätzliche Belastungen im Mittelstand, nicht zuletzt bei kleineren und mittleren Unternehmen (KMU).

In dieser Situation brauchen Mittelständler nicht nur eine Stärkung der Eigenkapitalbasis, sondern auch Impulse von außen, die ihnen helfen, Innovationen zu starten oder wieder aufzunehmen.

Steigerung staatlicher Forschungsausgaben darf nicht Selbstzweck sein

Diese Impulse von außen hätte es durch verstärkte Innovationsförderung schon längst geben können, denn die staatlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Deutschland sind 2020 auf 36,6 Mrd. Euro geklettert. Das waren knapp 60 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor.

Im Fokus standen dabei allerdings die Großforschungsverbünde mit ihrem „Pakt für Forschung und Innovation“.

Ein Fokus auf dem Mittelstand fehlt dabei.

Zugleich hat sich Deutschland das Ziel für 2025 gesetzt, mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für FuE aufzuwenden.

Rund zwei Drittel dieser Ausgaben steuert in Deutschland die Wirtschaft bei, ein Drittel kommt aus staatlichen Quellen. Eine weitere Ausweitung staatlicher Forschungsausgaben darf nicht Selbstzweck sein, sondern muss sich klar an Innovationen im Mittelstand sowie am gelingenden Transfer von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft ausrichten.

© SFIO CRACHO – stock.adobe.com

Künstliche Intelligenz kooperativ erforschen

Besonders geeignet ist hierfür die zielgenaue, zeitlich befristete Projektförderung, wie sie beim Bundeswirtschaftsministerium, doch auch bei anderen Ministerien angesiedelt ist. Gerade KMU können in der Projektförderung durch Kooperationen mit den gemeinnützigen Instituten der Industrieforschung profitieren. Diese Institute sind in der technologie- und branchenoffenen Zuse-Gemeinschaft vereint.

Ein Beispiel: Künstliche Intelligenz (KI) in Schlüsselbranchen wie dem Maschinenbau. Von der Software bis zum Erproben der Maschinen hilft KI in der Industrie Mensch und Umwelt.

Institute der Zuse-Gemeinschaft sind auf diesem Gebiet kooperative Kompetenzträger, die in Zusammenarbeit mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft erfolgreichen Wissens- und Technologietransfer leisten. Als gemeinnützige Institute sind sie im Grunde Non-Profit-Einrichtungen, richten sich mit ihrer Expertise aber an den Bedürfnissen auch gewinnorientierter Partner aus.

Verengung der Innovationsförderung verfehlt Ziele des Forschungstransfers

Doch die Projektförderung hat auch Haken und Ösen: Die auf erfolgreichen Forschungstransfer in den Mittelstand zielenden, innovationsorientierten Programme sind im Vergleich zur Grundlagenforschung knapp bemessen oder für viele gar nicht zugänglich.

Beispiel INNO-KOM: Dieses bundesweit einzige Programm speziell für gemeinnützige Institute der Industrieforschung sackt laut Haushaltsplanung des Bundes 2022 wieder auf Vor-Corona-Niveau ab.

Erschwerend kommt hinzu: INNO-KOM ist momentan beschränkt auf strukturschwache Gebiete.

Das Innovationsproblem im Mittelstand ist allerdings ein bundesweites und nicht auf strukturschwache Regionen beschränkt.

Eine Verengung der Innovationsförderung auf die Strukturpolitik geht an den Notwendigkeiten des Forschungstransfers vorbei.

Unternehmen in strukturschwachen Gebieten profitieren schon heute durch Kooperationen mit Instituten der Zuse-Gemeinschaft auch aus anderen Regionen. Mehr als 70 Prozent der Kooperationspartner unserer Mitglieder sind in Regionen außerhalb des Institutssitzes angesiedelt. Das zeigt: Forschungstransfer für den Mittelstand gelingt überregional.

Die anstehende Neufassung von INNO-KOM bietet die Chance, die Kettung der Projektförderung an Regionalsubventionen zu beenden. Es wäre ein erster wichtiger Schritt in Richtung verbesserter Innovationsförderung, von der endlich KMU profitieren würden. Weitere müssen folgen.

Positive Erfahrungen mit Projektförderung

Denn nicht erst nach Corona benötigt Deutschland zielgenaue staatliche Unterstützung für die Wirtschaft. Kritisch ihren Kosten-Nutzen-Effekt zu hinterfragen, ist daher die im Bundestagswahlkampf zuweilen geforderte weitere Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung. Dieses in Deutschland noch sehr junge Instrument muss zunächst gründlich bewertet werden.

Für die Projektförderung liegen solche Erfahrungswerte hingegen vor. Und diese sind positiv, auch wenn es weiteren dringenden Verbesserungsbedarf gibt. Das gilt neben der INNO-KOM-Reform auch für mehr Fairness in der Forschungsförderung an anderen Stellen.

Insgesamt aber gilt: Ein Fokus in der Förderung auf zentrale technologische Herausforderungen eröffnet in Kombination mit einer branchen- und technologieoffenen Förderung die besten Chancen, um Innovationen hervorzubringen, die Deutschlands Position im internationalen Wettbewerb für erhöhte Produktivität und gesteigerte Wertschöpfung verbessern.

Quelle Autorenbild: SKZ



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