„Extremsituationen können immer auch als Chance begriffen werden“

Dominik GrossFounders Foundation

Dominik Gross ist Mitgründer und Geschäftsführer der Founders Foundation. Die gemeinnützige Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, die nächste Generation von Unternehmerinnen und Unternehmern in Deutschland auszubilden – und zwar nicht in einer Startup-Hochburg wie Berlin oder München, sondern in Ostwestfalen-Lippe. Was Gründerinnen und Gründer dieser nächsten Generation mitbringen müssen, um in Zukunft erfolgreich zu sein und warum die Coronakrise eine Chance für das Unternehmertum in Deutschland ist, erklärt Dominik Gross im Interview auf unserem Blog.

Ben Schröder: Herr Gross, Sie sind Mitgründer und Geschäftsführer der Founders Foundation, einer gemeinnützigen Initiative aus Bielefeld. Was sind die Ziele der Founders Foundation?
Dominik Gross: Unser Ziel ist es, eine nächste Generation von Unternehmerinnen und Unternehmern in Deutschland auszubilden, den Mittelstand von morgen. Wir begleiten und unterstützen Gründerinnen und Gründer dabei in allen Stufen des Unternehmertums: von der ersten Idee bis hin zur Marktreife der entwickelten Produkte und Dienstleistungen. Was die Founders Foundation auszeichnet ist, dass wir die erfolgreiche Entwicklung der Talente ins Zentrum stellen. Als gemeinnützige Organisation stehen für uns in erster Linie nicht das Startup, sondern die Personen dahinter im Fokus.

Was genau muss diese „nächste Generation von Unternehmerinnen und Unternehmern“ Ihrer Meinung nach mitbringen, um erfolgreich zu sein?
Dazu muss ich zunächst ein bisschen weiter ausholen. Wir erleben momentan, dass sich unsere Welt massiv verändert. Getrieben ist dieser Wandel vor allem durch den technologischen Fortschritt, der exponentiell verläuft. Die Zeiträume, in denen tiefgreifende technologische Sprünge stattfinden, werden immer kürzer. Um ein Beispiel zu nennen: Es wird vermutet, dass unsere Smartphones schon in rund sieben Jahren ähnlich leistungsfähig sein werden wie das menschliche Gehirn.

Diese Entwicklung schafft erhebliche Herausforderungen – vor allem, weil wir in Deutschland nicht annähernd so viel Erfahrung mit exponentiellem Fortschritt haben, wie das etwa in den USA oder China der Fall ist. Meiner Meinung nach wird es für Gründerinnen und Gründer deshalb in Zukunft eine Schlüsselfähigkeit sein, neue Technologien zu adaptieren und weiterzudenken. Nur so werden wir mit diesen beschleunigten Innovationszyklen Schritt halten und die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig sichern können.

In welchen Bereichen sind die Gründerinnen und Gründer, die die Founders Foundation unterstützt, üblicherweise tätig?
Der Großteil unserer Startups entwickelt Produkte für Industrieunternehmen, beispielsweise im Bereich der Künstlichen Intelligenz, der Automatisierung und der Digitalisierung von Prozessen. Als Beispiel kann ich hier das Startup Valuedesk nennen. Der Gründer und CEO von Valuedesk hat über Jahre hinweg die Einkaufsabteilung in einem Industrieunternehmen geleitet. Er stellte damals fest, dass in vielen Unternehmen noch mit Excel-Tabellen gearbeitet wird, um notwendige Einsparungsprozesse im Einkauf zu koordinieren. Er kam dann mit der Idee zu uns, diese Prozesse in Unternehmen durch eine cloudbasierte Software effizienter zu gestalten. In unserer Founders Startup School hat er dann seine zwei Mitgründer kennengelernt, mit denen er seine Idee letztlich umsetzen konnte. Heute ist Valuedesk erfolgreich am Markt und verkauft seine Software an Unternehmen aus verschiedenen Branchen in der Region.

Inwieweit begleiten Sie Valuedesk bis heute?
Die Founders Foundation ist eine gemeinnützige Institution. Die erste Säule unserer Arbeit ist somit prinzipiell beendet, sobald ein Startup am Markt ist. Die Valuedesk-Gründer unterstützen beispielsweise aber die nächste Generation der Gründertalente, zum Beispiel über Mentoring im Rahmen unserer Startup School. So lernen die neuen Talente auf Augenhöhe direkt aus den Erfahrungen erfolgreicher Gründer.

Darüber hinaus kommt die zweite Säule des Wirkens der Founders Foundation zum Tragen, nämlich die Implementierung eines Ökosystems für B2B Startups als Pilotmodell für Deutschland. In der Flächenregion Ostwestfalen-Lippe nutzen wir die Stärken der Region, um frühzeitig eine Verbindung zwischen der etablierten Industrie, den gewachsenen Familienunternehmen und den Gründerinnen und Gründern aufzubauen. In diesem Kontext wurde die Hinterland of Things, eine der führenden Tech-Konferenzen in Deutschland, ins Leben gerufen. Davon profitiert natürlich auch ein Unternehmen wie Valuedesk.

Als Startup-Hochburgen in Deutschland gelten Städte wie Berlin, Hamburg und München. Die Founders Foundation unterstützt Gründerinnen und Gründer in der Region um Bielefeld. Warum ist es so wichtig, dass auch in Regionen wie Ostwestfalen-Lippe junge, dynamische Unternehmen entstehen?
Im Handelsblatt habe ich mal ein schönes Zitat von Robert Lacher gelesen: „Unser Google ist der Mittelstand“. Dem pflichte ich bei. SAP einmal ausgeklammert, haben wir hier in Deutschland einfach nicht die großen Tech-Konzerne, wie das zum Beispiel in den USA der Fall ist. Dafür haben wir einen starken Mittelstand, der größtenteils im ländlichen Raum angesiedelt ist. Dennoch ist es natürlich richtig, dass Metropolen zum Teil deutlich bessere Voraussetzungen für junge Unternehmen bieten, als das in ländlichen Räumen der Fall ist. Eine Stadt wie Berlin bietet ein sehr gründerfreundliches Umfeld. Hinzu kommen Unternehmen und Institutionen, die junge Gründerinnen und Gründer bei dem Aufbau eines Unternehmens mit Expertise, Kontakten und Kapital unterstützen.

Junge Unternehmen erfahren so in jeder Phase der Gründung Unterstützung. Das ist ganz entscheidend, vor allem, wenn es mal nicht so gut läuft, es unternehmerische Rückschläge und Misserfolg gibt. Regionen wie Ostwestfalen-Lippe müssen sich einfallen lassen, wie sie es schaffen, ein ähnlich engmaschiges Netz der Unterstützung aufzubauen. Dazu wollen auch wir als Founders Foundation unseren Beitrag leisten.

Wie lässt sich ein solches Netzwerk Ihrer Meinung nach auf eine Region wie Ostwestfalen-Lippe übertragen?
Einerseits setzen wir auf den direkten Kontakt zwischen Gründerinnen und Gründern und dem Mittelstand in der Region. In einer Region wie Ostwestfalen-Lippe werden viele Unternehmen familiär geführt, der persönliche Austausch, das Face-to-Face-Gespräch ist extrem wichtig. Wir versuchen deshalb, junge und etablierte Unternehmen wann immer es geht zusammenzubringen. Andererseits bieten wir einen sehr praxisorientierten Fortbildungsansatz. Wir haben regelmäßig erfolgreiche Gründerinnen und Gründer aus der Startup-Szene wie Michael Brehm (Gründer und CEO i2x, zuvor u. a. Geschäftsführer von studiVZ, Anm. d. Red.) oder Christian Miele (Partner eVenture und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Startups) zu Gast, die von ihren Erfahrungen berichten und wertvolle Tipps mitbringen. Wir versuchen also, einen Teil des Knowhows aus Startup-Metropolen wie Berlin und München nach Bielefeld zu bringen.

Das Coronavirus hat die deutsche Wirtschaft noch immer fest im Griff. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation in Hinblick auf die Startup-Szene in Deutschland?
Dazu würde ich den Blick zunächst in die Vergangenheit richten. Ein Großteil des Unternehmertums in Deutschland ist nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, der wohl größten Krise unserer Geschichte. Das zeigt, das Extremsituationen immer auch als Chance begriffen werden können, etwas Neues aufzubauen. Momentan befinden wir uns wieder in einer Extremsituation, ausgelöst durch eine weltweite Pandemie. Die Coronakrise zeigt uns die Defizite in unserer Wirtschaft ganz klar auf. Denken Sie zum Beispiel an den Bildungssektor. Hier wird momentan händeringend nach Modellen gesucht, um die Digitalisierung an Schulen und Universitäten endlich entscheidend voranzubringen. Und zwar, weil es durch Corona notwendig geworden ist. Durch diesen Veränderungsdruck entstehen Opportunitäten für Gründerinnen und Gründer, die gefordert sind, ihre Ideen einzubringen und den Wandel mit zu gestalten. Für junge Unternehmerinnen und Unternehmer bietet die aktuelle Situation also durchaus auch Potenziale und Chancen.

Trotzdem herrscht massive Unsicherheit – doch sicher auch oder gerade unter jungen Unternehmerinnen und Unternehmern …
Gründerinnen und Gründer sind es grundsätzlich gewohnt, mit Unsicherheit zu leben. Die ersten Jahre nach der Unternehmensgründung sind für viele fast wie eine Art Nahtoderfahrung, geprägt von Rückschlägen und Misserfolg. Startups gehen mit dieser Krise deshalb vielleicht anders um, als das etablierte Unternehmen tun. Trotzdem stimmt es natürlich, dass auch in der Startup-Szene zum Teil massive Unsicherheit herrscht und Corona Startups in bestimmte Branchen genauso hart trifft wie den Rest der Wirtschaft.

Erfährt die Startup-Szene Ihrer Meinung nach genug Unterstützung in dieser Zeit?
Ja, das würde ich schon sagen. Vor allem die Maßnahmen der Bundesregierung im Bereich der Kurzarbeit helfen jungen Unternehmerinnen und Unternehmern enorm, diese Krise zu überstehen. Auch unabhängig von der aktuellen Ausnahmesituationen würde ich sagen, dass Startups in Deutschland eine gute Förderbasis haben. Da hat sich in den vergangenen Jahren viel Bewusstsein für die Wichtigkeit von Gründungsförderung entwickelt. Nachholbedarf sehe ich aber noch im Ausbau von Zukunftstechnologien, wie zum Beispiel 5G, Künstliche Intelligenz und Robotik. China und die USA sind viel schneller in der Lage, Technologien zu entwickeln und diese in Produkte und Unternehmen umzuwandeln. Damit wir nicht den Anschluss verlieren, brauchen wir Offenheit und Mut gegenüber neuen Geschäftsideen und eine positive Einstellung zum Unternehmertum in allen Teilen der Gesellschaft.

 



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